Object: Heerwesen und Dienst in der königlich bayerischen Armee.

III. Abschn. Die Ergänzung des Heeres. 23 
R.-M.-G. 8. 19. 2. Sind die Reklamationsgründe durch freie Ent- 
schließung des Militärpflichtigen oder seiner Angehörigen herbeigeführt 
(3. B. durch Ankauf, Erpachtung, Uebertragung eines Besitzthums u. s. w.), 
so sind sie in der Regel zu verwerfen. Das Vorhandensein von verhei- 
ratheten Brüdern, welche mindestens 26 Jahre alt und durch ihren eigenen 
Hausstand außer Stand gesetzt sind, reklamirende Eltern zu unterstützen, ist 
als Grund zur Verwerfung der Reklamation nicht anzusehen. Desgleichen 
das Vorhandensein eines ältern Bruders, der im Heere als Unteroffizier 
dient, insofern eine Bescheinigung des Truppentheils darüber vorliegt, 
daß dieser mit ersterem auch fernerhin zu kapituliren gedenkt. 3. Wird 
die Zurückstellung eines Militärpflichtigen in Antrag gebracht, weil dieser 
als die einzige Stütze seiner Eltern oder Angehörigen zu betrachten ist, 
indem ein anderer zur Unterstützung derselben verpflichteter sich dieser 
Pflicht entzieht oder wegen strafbarer Handlungen eine längere 
Freiheitsstrase zu verbüßen hat, so ist der Antrag auf Zurückstellung des 
ersteren in der Regel als begründet nicht zu erachten und besonders dann 
nicht, wenn jener andere zur Unterstützung Verpflichtete etwa selbst schon 
zu diesem Behufe von der aktiven Dienstpsiicht entbunden worden ist. Auch 
kann in der Regel daraus ein Reklamationsgrund nicht hergeleitet werden, 
daß ein zur Unterstützung Verpflichteter dieser Verpflichtung nur unter 
besondern Opfern nachkommen kann, indem er z. B. sein lohnendes Ge- 
werbe zeitweise aufgibt, um dem arbeitsunfähigen Vater unmittelbar hilf- 
reiche Hand zu leisten. 4. Die im §. 30 2. a) bezeichneten Berück- 
sichtigungen dürfen in der Regel nicht eintreten, wenn die Familie 2c. 
neuerdings erhebliche Unterstützungen aus Armen-Fonds bezogen 
hat. — Wenn es sich in den Fällen des §. 30 2. a) u. b) darum handelt, 
festzustellen, ob die Person, zu deren Gunsten reklamirt worden ist, noch 
arbeits= beziehungsweise aufsichtsfähig ist oder nicht, so entscheiden hierüber 
die Ersatzbehörden nach Anhörung des Gutachtens des denselben bei- 
gegebenen Arztes, weshalb in derartigen Fällen die gedachte Person sich 
den Ersatz-Behörden in der Regel persönlich vorstellen muß (8. 62, 7). 
5. Die im Vorstehenden enthaltenen Bestimmungen finden auf Stiefsöhne 
und Adoptivsöhne, sowie auf uneheliche Söhne gegenüber ihrer Mutter, 
gleiche Anwendung, wogegen sie auf Pflegesöhne, welche nicht durch ge- 
richtliche Urkunden an Kindesstatt angenommen sind, nicht aus- 
gedehnt werden dürfen. 6. Die im 8. 30, 2. 1) aufgeführte Vergünstigung 
kann auch gewährt werden: a) Handwerksburschen, wenn dieselben im In- 
teresse ihrer gewerblichen Verhältnisse zu wandern beabsichtigen; b) den 
Schifffahrt treibenden Militärpflichtigen der Landbevölkerung. 7. Die 
Zurückstellung der im Auslande lebenden Militärpflichtigen darf bis zu 
dem in ihrem dritten Militärpflichtjahre stattfindenden Aushebungs- 
Geschäfte ausgedehnt werden. Die Zurückstellung der in Rußland 
lebenden bayerischen Militärpflichtigen bis zu vorstehend erwähntem Termine 
darf seitens der Königlichen Gesandschaft in St. Petersburg, hinsichtlich 
der übrigen deutschen Militärpflichtigen seitens der Kaiserlich Deutschen 
Botschaft dortselbst — unter Benachrichtigung der heimathlichen Ersatz- 
Kommission (§. 23, 3) — verfügt werden. 
§. 32. 1. Sobald der Bedarf an Ersatzmannschaften gedeckt ist, 
werden die noch vorhandenen diensttauglichen Militärpflichtigen bis zum 
nächsten Jahre als überzählige zurückgestellt. Doch kann auf die- 
selben im Falle des Bedarfs während der Dauer der Nachersatzgestellungen 
  
 
	        
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