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geführt, daß bei Ausgewanderten wie bei Verschollenen die Fort-
dauer der deutschen Staatsangehörigkeit zu vermuten sei und sich
hiernach die Zuständigkeit zur Führung der Abwesenheitspfleg-
schaft bestimme.
2. Die oben besprochene Vorschrift des früheren Staatsan-
gehörigkeitsgesetzes, wonach zehnjähriger ununterbrochner Auf-
enthalt im Ausland den Verlust der inländischen Staatsangehörig-
keit zur Folge hatte, führte noch zu einer andern Streitfrage, die
die Geriehte mehrfach beschäftigt hat und die für alle Fälle, in
denen beim Inkrafttreten des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzes
(1. Januar 1914) die zehnjährige Abwesenheitsfrist bereits vollendet
war, auch in Zukunft ihre Bedeutung behalten wird. Zur Darstellung
der Streitfrage sei angeknüpft an den Beschluß des Kammergerichts
vom 12. März 1912, KGJ. 42, 11 = RJA. 12, 82: ein im Jahre
1891 in Berlin verstorbener Arzt hinterließ eine in demselben
Jahr geborene Tochter, über die, da die Mutter sich wieder ver-
heiratete, beim Amtsgericht Berlin die Vormundschaft geführt
wurde. Mutter und Tochter lebten seit einer Reihe von Jahren
in Belgien; die Tochter beantragte die Vormundschaft aufzuheben
und den Vormund zur Herausgabe des Mündelvermögens anzu-
weisen mit der Begründung, daß sie einerseits am 14. Juni 1911
durch Naturalisation die belgische Staatsangehörigkeit und am
15. Juni 1911 durch Emanzipation die volle Geschäftsfähigkeit
erlangt, andrerseits durch mehr als zehnjährigen Aufenthalt im
Auslande die preußische Staatsangehörigkeit verloren habe. Das
Vormundschaftsgericht hatte den Antrag unter Billigung des Land-
gerichts abgelehnt, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit wäh-
rend der Minderjährigkeit des Mündels nicht habe eintreten kön-
nen und dieser deshalb im Inland als minderjährig zu gelten habe.
Auf die weitere Beschwerde des Mündels wies das Kammergericht
unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Sache zur ander-
weitigen Erörterung und Entscheidung an das Vormundschafts-
gericht zurück. Das Kammergericht führt zunächst aus, daß der