Object: Rechtslexikon. Zweiter Band. Gad - Otto. (2.2)

Informativprozeß — Inhaberpapiere. 365 
IJ. des Gem. Rechts kaum mehr reden läßt. Die Römische Theorie wenigstens hat 
für uns jede praktische Bedeutung verloren, wie namentlich Savigny dargethan 
hat. Indessen ist man darüber noch keineswegs einig; Vangerow z. B. findet 
weder einen inneren noch einen äußeren Grund, „diesen Theil des Justin. Rechts für 
weniger praktisch zu halten als irgend einen anderen“. 
2) Eine größere Realität hat gemeinrechtlich der verwandte, freilich weniger 
juridische Begriff der turpitudo, levis notae macula, infamia facti, bewahrt. Bei 
einigen Rechtsverhältnissen nämlich wird Würdigkeit oder Unwürdigkeit der Person 
berücksichtigt, so bei Ernennung zum Vormunde, im Falle der Enterbung von Ge- 
schwistern (s. d. Art. Enterbung), u. a. m. 
OQuellen: D. 3, 2 de his qui notantur infamia. C. 2, 12 ex quibus cCausis infamia 
irrogatur; 10, 57 de infamibus. Dazu: R.NA. von 1551, § 80; R.P.O. von 1577, Tit. 23 §2; 
R. A. von 1670, § 10. 
Lit.: Glück, V. — Marezoll, Ueber die bürgerliche Ehre, ihre gänzliche Entziehung 
und theilweise Schmälerung, Gießen 1824. — Schomburg, De turpitudine s. infamia 
facti, Cassel 1840. — Savigny, System, II. — Seuffert, XXIII. 151. — Bangerow, 
88 46—52. — Arndts, §§ 29—33. — Windscheid, § 56. — Brinz, § ivi 
tvrter. 
Informativprozeß (processus informativus oder inquisitionis; Th. I. S. 658), 
d. h. dasjenige Verfahren, welches im Auftrag der Römischen Kurie vor der Ver- 
leihung der Bisthümer und der dem Papst zur Besetzung reservirten (sog. Konsistorial-) 
Abteien vorgenommen wird, um die Tauglichkeit der Person des Kandidaten, sowie 
die Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit seiner Wahl, refp. der landesherrlichen 
Nomination festzustellen. Es werden zu diesem Behufe an dem Orte des Domizils 
des Kandidaten und den Orten, wo er früher sich aufgehalten, studirt, Aemter be- 
kleidet hat, Nachforschungen durch Verhör geeigneter Zeugen, durch Einsicht seiner 
Ordinationsurkunde und anderer in Frage kommender Dokumente und Protokolle 
angestellt. Muß dieses Verfahren außerhalb der Kurie vorgenommen werden, so 
wird damit ein Legat oder Nuntius oder der Ordinarius des Kandidaten oder ein 
seinem Domizil benachbarter Bischof betraut. In Oesterreich und Bayern führen 
die Nuntien zu Wien, resp. München, in Preußen stets ein Preußischer Erzbischof, 
in Hannover und der oberrheinischen Kirchenprovinz ein Bischof oder ein eine Dignität 
innehabender Domherr des Landes, resp. der Provinz diese Untersuchung. Die Akten 
des Prozesses werden demnächst mit dem von dem Kandidaten eigenhändig unter- 
schriebenen, in beglaubigter Form ausgenommenen Glaubensbekenntniß nach Rom 
geschickt, und nach einer nochmaligen Prüfung der Akten (sog. processus definitivus) 
erfolgt bei stattgehabter Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens und vorliegender Taug- 
lichkeit des Kandidaten die Verleihung der Stelle durch Verkündigung (praeconisatio) 
in einem geheimen oder ordentlichen Konsistorium seitens des Papstes. Letzterer ist 
übrigens nach katholischem Kirchenrecht nicht verpflichtet, den J. abhalten zu lassen, 
und der Kandidat hat also darauf kein Recht. 
Quellen u. Lit.: c. 3. X de elect. I. 6. Conc. Trident. Sess. XXIV. C. 1 de re- 
form. — Const. Gregori# XIV: Onus apostolicae v. 1591; Urbani VIII instructio particu. 
laris v. 1627 und Const. Benedicti XIV: Gravissimum v. 18. Januar 1757. — A. Lutter- 
beck, Der Informativprozeß, Gießen 1850. — Die Mainzer Bischofswahl und der Informativ- 
prozeß. — Der Informativprozeß, eine kirchenrechtliche Abhandlung. — Beleuchtung der 
Schrift: Der Informativprozeß 2c., sämmtlich zu Mainz 1850. — P. Hinschius, Kirchen- 
recht, II. 672. P. Hinschius. 
Inhaberpapiere. Geschichte. Nach älterem Deutschen Recht war die 
prozessualische Stellvertretung und die Uebertragung der Forderungen im Allgemeinen 
unzulässig. Um thatsächlich zur Vertretung und zur Cession gelangen zu können, 
bediente man sich u. a. der Urkunden mit Inhaberklauseln, kraft deren die Geltend- 
machung des verschriebenen Rechtes jedem Inhaber der Urkunde als solchem zustehen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.