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die es tatsächlich einnimmt, noch heute fortdauere?®, und
für APPONYI ist der 1867er Ausgleich nur eine der zahlreichen
suspekten, zweideutigen Formeln, welche die österreichische Hof-
politik ”” dem Lande statt einer klaren und reinen Anerkennung
seiner Souveränität hinzuwerfen pflege, und bei der sich das Land
ratione temporum habita oder propter bonum pacis bescheidet, um
bei nächster Gelegenheit den Sisyphuskampf für seine Rechte wieder-
aufzunehmen ””. Auch das hat ein praktischer Staatsmann,
ANDRASSY der Aeltere, richtiger herausgefunden als die Doktrin,
indem er die Unabhängigkeit Ungarns mit dem pragmatischen
Grundsatz der Unauflöslichkeit des Länderverbands unverein-
bar erklärte”®. Und DEAK beschwichtigt in seiner Rede vom
28. März 1867 die Bedenken gegen den Ausgleich mit der Be-
merkung, daß durch ihn der bisherige Status Ungarns nicht ge-
mindert werde, und daß, wenn darin eine Schmälerung der Unab-
hängigkeit Ungarns erbliekt werde, diese schon mit der prag-
matischen Sanktion geopfert worden sei”. Allein selbst HAUKE,
der erste österreichische Staatsrechtslehrer, der vom Standpunkte
des formalen Rechts der Theorie von der Unverbundenheit beider
Staaten beigetreten ist, erachtet die Gemeinsamkeit des Herrschers
und des Herrscherhauses als einen unantastbaren, somit der
5 A. a. O0. S. 19.
778 APPONYI schwankt unaufhörlich zwischen der dem ungarischen König
gebührenden Pietät und Ehrfurcht und der Perfidie des Wiener Hofes, Se-
paratabdruck S. 23, ungeachtet diese beiden staatlichen Faktoren schwer
auseinander zu halten sind.
277 Separatabdruck 8. 19. Oesterreichische Rundschau 28. Bd. 8. 157.
Dazu Tezxeg in derselben Zeitschrift 29. Bd. S. 432. ZicHy, Oesterreich
und Ungarn, Deutsche Rundschau 1908/1909 Oktober 1908 8. 140.
278 WERTHEIMER, Julius Andrassy S. 259. Vgl. hiezu den Entwurf einer
der vollen Souveränität Ungarns entsprechender, mit Notwendigkeit zur
Auflösung der Monarchie führenden ungarischen Unabhängigkeitsakte bei
TEzNER, Der österreichische Kaisertitel und der Dualismus im 20. Bd. der
Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung.
270 Neue freie Presse v. 29. März 1867 Nr. 925 S. 2.