Zweiter Abschnitt.
Uevolution und Fremdherrschaft.
Nur ein königlicher Feldherr oder ein reformatorischer Gesetzgeber
konnte das Erbe Friedrich's ungeschmälert behaupten. Die alte Form der
fridericianischen Monarchie stand auf zwei Augen. Wenn es nicht gelang
die kriegerischen Kräfte dieses Volkes noch einmal zu kühnem Wagen zu-
sammenzuraffen und dem heiligen Reiche durch Preußens Waffen eine neue
Verfassung zu schaffen, so ließ sich die gewaltsame Vereinigung der ge-
sammten Staatsgewalt in einer Hand nicht mehr für die Dauer aufrecht
erhalten. Der erweiterte Umfang des Staatsgebietes, die gesteigerten An-
sprüche an die Leistungen des Staates und das mächtig erstarkte Selbst-
gefühl der wohlhabenden Klassen geboten eine umfassende Reform, welche
den Staatshaushalt beweglicher gestaltete, die unhaltbar gewordene alte
Gliederung der Stände beseitigte und dem Unterthan erlaubte, bei der Ver-
waltung von Kreis und Gemeinde selber Hand anzulegen. Unterblieb der
Neubau, so drohte der Monarchie Siechthum und Erstarrung; jener Geist
der Kritik, der von Friedrich selber geweckt, aber durch die Scheu vor seinem
Genius in Schranken gehalten worden war, konnte leicht den sittlichen Halt
des Staates, die alte preußische Trene und Mannszucht zerstören.
Es ward Deutschlands Verhängniß, daß Friedrich's Nachfolger weder
die eine noch die andre Aufgabe zu lösen vermochte. Friedrich Wilhelm II.
besaß die ritterliche Tapferkeit seiner Ahnen und ein lebendiges Gefühl für
seine königliche Würde, für die Großmachtstellung seines Staates, doch weder
die Sachkenntniß und den ausdauernden Fleiß, noch die Sicherheit des
Urtheils und die feste Willenskraft, welche sein schweres Amt erheischte.
Ebenso mild und wohlwollend, wie sein alternder Oheim menschenfeindlich
gewesen, leicht erregbar, reich an guten Einfällen, empfänglich für hoch-
gehende Entwürfe, ließ er das rasch und feurig Ergriffene wieder fallen,
wenn zäher Widerstand ihn ermüdete oder schlaue Gegner seinen Großmuth
zu schmeicheln wußten. Die Kleinheit der Menschen athmete erleichtert
auf, als die erdrückende Größe des alten Helden von hinnen ging; auf-
richtiger Jubel begrüßte den Vielgeliebten, der so traulich und warmherzig