Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Bund der Kaiserhöfe gegen Preußen. 137 
ankündigte; er sagte: „diese zwei Provinzen in Eurer Hand würden uns 
mehr Noth machen, als alle Demokratien der Welt.“ Rußland aber stand 
auf Oesterreichs Seite; mit glücklichem Erfolge hatte Thugut seit andert— 
halb Jahren um Katharina's Gunst geworben. Die beiden Kaiserhöfe 
waren einig den preußischen Ehrgeiz mit jedem Mittel zu bändigen und 
schlossen, da Preußen nicht nachgab, am 3. Januar 1795 ein geheimes 
Kriegsbündniß gegen ihren Bundesgenossen. Der Vertrag bestimmte: 
Theilung Polens dergestalt, daß Rußland und Oesterreich die Hauptmasse 
erhalten, Preußen mit Warschau und einem schmalen Striche an der 
ostpreußischen Grenze abgefunden wird. Außerdem ward ein umfassender 
Eroberungsplan verabredet: Rußland soll in den Donauprovinzen eine 
Secundogenitur gründen, Oesterreich erhält freie Hand zur Erwerbung 
von Baiern, Bosnien und Serbien, sowie der venetianischen Republik; 
ja die Kaiserin giebt im Voraus ihre Zustimmung zu allen anderen 
Eroberungen, welche ihr Bundesgenosse noch für nöthig halten sollte; 
widerspricht Preußen, so wird es mit Aufbietung aller Kraft durch die 
Waffen gezwungen. Alle die vermessenen Wünsche Kaiser Joseph's lebten 
also wieder auf; an der unteren Donau, im Herzen Süddeutschlands 
und vor Allem an der Adria dachte Thugut die Macht seines Staates 
zu erweitern, und Katharina ließ ihn gern gewähren, weil sie in dem 
allgemeinen Umsturz das zweite große Ziel ihrer Staatskunst, die Herr- 
schaft über Byzanz zu erreichen hoffte. 
Dahin war also der preußische Staat in den fünf Jahren seit dem 
Reichenbacher Tage gelangt: die Seemächte und das deutsche Reich weigerten 
ihm die Mittel zur Kriegführung, Rußland und Oesterreich bedrohten ihn 
mit einem Angriff. Der Vertrag vom 3. Januar blieb in Berlin noch 
mehrere Monate lang unbekannt, doch über die Gesinnungen der Kaiser- 
höfe bestand kein Zweifel. Längst hatte Thugut in Böhmen Truppen 
angesammelt, um wider den preußischen Alliirten vorzubrechen. Konnte 
Preußen, ohne Geldmittel wie man war, mit solchen Bundesgenossen den 
französischen Krieg fortsetzen, dessen Ziele in dem verworrenen Ränkespiele 
der Diplomatie immer dunkler und räthselhafter wurden? Sämmtliche 
Räthe des Königs verlangten schon längst Frieden oder Bündniß mit 
Frankreich: auch der geistreiche Minister Hardenberg, der die fränkischen 
Markgrafschaften durch eine treffliche Verwaltung für die Monarchie ge- 
wonnen hatte und jetzt zuerst auf die auswärtige Politik einzuwirken an- 
fing. Karl August von Weimar, der den Kampf gegen Frankreich von 
Haus aus verwünscht hatte, erneuerte jetzt seine Friedensmahnungen. Der 
Armee, selbst dem tapferen Blücher, war der Krieg an der Seite der 
Oesterreicher gänzlich verleidet, nicht minder dem Volke, das der Lorbeeren 
genug zu haben glaubte. Der junge Vincke sprach allen aufgeklärten 
Preußen aus der Seele, wenn er bitter fragte: wie lange wollen wir 
noch ein freiwilliges Opfer österreichischer Falschheit bleiben? Hans von
	        
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