186 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
dies deutsche Gezänk werde; um jedes kleinen Länderfetzens willen müsse-
man einen eigenen Curier schicken. Aber die Würfel waren geworfen, die-
mächtigeren Fürsten hatten ihre Beute bereits in Sicherheit gebracht.
Am 25. Februar 1803 kam der Reichsdeputationshauptschluß zu
Stande, am 27. April wurde durch den Jüngsten Reichsschluß die Ver-
nichtung von hundert und zwölf deutschen Staaten ausgesprochen. Von den.
geistlichen Ständen blieben nur drei übrig: die beiden Ritterorden — weil
man dem so schwer geschädigten katholischen Adel noch einen letzten Unter-
schlupf für seine Söhne gönnen wollte — und der Reichskanzler in Ger-
manien, weil Bonaparte in der fahrigen Eitelkeit des Mainzer Coadjutors.
Dalberg ein brauchbares Werkzeug für Frankreichs Pläne erkannte. Die
Reichsstädte verschwanden bis auf die sechs größten. Mehr als zweitausend
Geviertmeilen mit über drei Millionen Einwohnern wurden unter die welt-
lichen Fürsten ausgetheilt. Preußen erhielt fünffachen Ersatz für seine
linksrheinischen Verluste, Baiern gewann an 300,000 Köpfe, Darmstadt
ward achtfach, Baden fast zehnfach entschädigt. Auch einige fremdländische
Fürstenhäuser nahmen ihr Theil aus dem großen Raube, so Toscana.
und Modena, die Vettern Oesterreichs, so Nassau-Oranien, der Schütz-
ling Preußens. Vergessen war der fridericianische Grundsatz, daß Deutsch-
land sich selber angehöre. Die Mitte Europas erschien den Fremden
wieder, wie im siebzehnten Jahrhundert, als eine herrenlose Masse, eine
Versorgungsstelle für die Prinzen aus allerlei Volk. Das heilige Reich
war vernichtet; nur sein geschändeter Name lebte noch fort durch drei
klägliche Jahre.
Wenige unter den großen Staatsumwälzungen der neuen Geschichte
erscheinen so häßlich, so gemein und niedrig wie diese Fürstenrevolution
von 1803. Die harte, ideenlose Selbstzucht triumphirte; kein Schimmer
eines kühnen Gedankens, kein Funken einer edlen Leidenschaft verklärte
den ungeheuren Rechtsbruch. Und doch war der Umsturz eine große
Nothwendigkeit; er begrub nur was todt war, er zerstörte nur was die
Geschichte dreier Jahrhunderte gerichtet hatte. Die alten Staatsformen
verschwanden augenblicklich, wie von der Erde eingeschluckt, und niemals
ist an ihre Wiederaufrichtung ernstlich gedacht worden. Die fratzenhafte
Lüge der Theokratie war endlich beseitigt. Mit den geistlichen Fürsten
stürzten auch das heilige Reich und die Weltherrschaftsansprüche des römi-
schen Kaiserthums zusammen. Selbst der alte Bundesgenosse der habs-
burgischen Kaiser, der römische Stuhl, wollte jetzt nur noch von einem
imperium Germanicum wissen; das feine Machtgefühl der Italiener er-
kannte, daß die Schirmherrschaft über die römische Kirche nunmehr auf
Frankreich übergegangen war, und der Papst schrieb seinem geliebtesten
Sohn Bonaparte: an ihn wolle er fortan sich wenden so oft er Hilfe
brauche. Das heilige Reich verwandelte sich in einen Fürstenbund, und
nicht mit Unrecht sprach Talleyrand jetzt schon amtlich von der fédération