Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Schlacht von Austerlitz. 225 
seine Niederlage unausbleiblich; er stand über hundert Meilen von Frank— 
reichs Grenzen entfernt, konnte keine Verstärkungen erwarten, und sein Heer 
war schon jetzt kaum so stark wie der Feind gegenüber. Aber auch dies— 
mal sollten ihn die Fehler seiner Gegner retten. Bei den Unterhand— 
lungen, die er angeknüpft hatte, stellte er sich nachgiebig und friedfertig 
um den Glauben zu erwecken, als ob er sich fürchte. Alexander durch— 
schaute das Spiel, betheuerte wiederholt, keine List des Feindes sollte ihn 
zu vorzeitigem Losschlagen verlocken; alle kriegserfahrenen Offiziere riethen 
ihm zur Vorsicht. Da brachte eine glänzende Heerschau den Czaren um 
alle seine guten Vorsätze; sein Uebermuth erwachte bei dem Anblick dieser 
schönen Regimenter, die noch die Lorbeeren der Suworow'schen Feldzüge 
an den Fahnen trugen. Den jungen Heißsporn durchzuckte der Gedanke, 
die Welt durch einen entscheidenden Krieg zu überraschen noch bevor Preußen 
am Kriege theilnahm; jene eleganten jungen Generale vom Hofe, die so 
oft in der russischen Geschichte leichtfertige Entschließungen verschuldet 
haben, stimmten dem unbesonnenen Einfall lärmend zu. Man beschloß 
zum Angriff auf Napoleon's wohlgesicherte Stellung vorzugehen, in der 
Richtung von Osten nach Westen, dergestalt daß die Armee, wenn sie ge— 
schlagen wurde, nach Ungarn zurückweichen mußte und die Verbindung 
mit Schlesien verlor, wo 40,000 Preußen bei Neiße zur Aufnahme bereit 
standen. Am Jahrestage der napoleonischen Kaiserkrönung empfing Alexander 
durch die Schlacht von Austerlitz den Lohn für die größte Thorheit seines 
Lebens. Und nun verlor auch Kaiser Franz die Besinnung, bat den 
Sieger um einen Waffenstillstand. Napoleon gewährte die Bitte unter 
der Bedingung, daß die Hofburg das Bündniß mit dem Czaren aufgab, 
die russischen Truppen durch Ungarn heimzogen und kein fremdes Heer 
den Boden Oesterreichs betreten durfte. 
So wurde der große europäische Kriegsbund durch die Mißgriffe 
der beiden Kaiser schon im Entstehen zersprengt. Preußens militärische 
Lage blieb indeß noch immer vortheilhaft. Der Czar gab den Krieg noch 
nicht gänzlich auf, sondern stellte seine Armeecorps, die in Schlesien und 
Preußisch-Polen standen, unter die Befehle des Königs. Friedrich Wilhelm 
gebot mithin über 300,000 Mann kriegsbereiter frischer Truppen; mit 
einer solchen Macht durfte er wohl hoffen die Freiheit Norddeutschlands 
zu schützen und dem bedrängten Oesterreich zu einem leidlichen Frieden 
zu verhelfen. Daß auch diese Hoffnung trog, war zunächst die Schuld 
des preußischen Unterhändlers, des Grafen Haugwitz, im letzten Grunde 
die Schuld des Königs selber. Preußens bewaffnete Vermittlung war 
sinnlos, wenn sein Unterhändler nicht ein kurzes Entweder — Oder 
aussprach und dem Eroberer nicht entweder die preußischen Friedensbe- 
dingungen auferlegte oder ihm den Krieg erklärte. Zu einem solchen 
Entschlusse vermochte sich indeß der friedfertige König nicht aufzuraffen. 
Er brach den Verhandlungen von vornherein die Spitze ab, indem er 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 15
	        
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