Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Krieg von 1809. 341 
die Verwaltung. Noch mehr hatte das Heer unter der Führung des Erz— 
herzogs Karl gewonnen. Wohl gerüstet, wie seit Jahren nicht, konnte 
Oesterreich die Waffen erheben. Mit hellem Jubel eilten die Landwehr- 
männer zu den Fahnen. Ueberall, vornehmlich unter den deutschen Stäm- 
men, festes Vertrauen zu dem alten Kaiserhause, freudige Bereitwilligkeit 
zu jedem Opfer. Das Jahr 1809 wurde das schönste der österreichischen 
Geschichte: die an Tapferkeit so reichen, an Genie und Begeisterung so 
armen Annalen des kaiserlichen Heeres sollten doch noch einmal einige 
glänzende Züge echten Heldenthums aufweisen. Wohl war es undenkbar, 
daß diese durch die Unterdrückung alles Volksthums emporgewachsene 
habsburgische Hausmacht den Kampf für die Freiheit der Völker ehrlich 
durchfechten sollte; es lag eine grausame Ironie darin, daß Erzherzog 
Karl in einem schwungvollen Aufrufe an die Deutschen die fragwürdige 
Behauptung aufstellte: „mit Oesterreich war Deutschland selbständig und 
glücklich!“ — und gleichzeitig sein Bruder Johann den Italienern sagte, 
sie seien heute keine Italiener mehr, nur durch Oesterreich könnten sie 
ihre Freiheit wieder erlangen. Der heilige Zorn der Patrioten im Reiche 
hatte kein Auge für solche Widersprüche. Die alte Kaisertreue unseres 
Volkes erwachte von Neuem; man wollte vergessen, daß dieser selbe Kaiser 
Franz vor drei Jahren erst sein hohes Amt kaltsinnig preisgegeben, daß 
sein neues Kriegsmanifest mit keiner Silbe von der Herstellung des Reiches 
sprach. Genug, daß er das Schwert zog gegen „ein System, das kein 
anderes Gesetz als das seine in Europa anerkennt". An seine Fahnen 
schien jetzt das Schicksal des ganzen Vaterlandes angekettet, ihm Heeres- 
folge zu leisten hieß jetzt deutsche Ehrenpflicht selbst unter den Norddeut- 
schen, die bisher von Kaiser und Reich kaum gesprochen hatten. 
Der Krieg war für Oesterreich unvermeidlich, doch er wurde vor- 
zeitig begonnen, mit leichtsinniger Selbstüberhebung, ohne genügende diplo- 
matische Vorbereitung. Getäuscht durch die zuversichtlichen Berichte des 
Grafen Metternich aus Paris, meinte die Hofburg den Streitkräften 
Napoleon's weit überlegen zu sein; ohne auf die Warnungen des Czaren 
zu achten übernahm sie die gefährliche Rolle des Angreifers und theilte 
ihren Entschluß in London und Berlin erst so spät mit, daß England 
und Preußen im Anfange des Feldzugs gar nicht mitwirken konnten. 
War die kaiserliche Diplomatie zu dreist vorgegangen, so fehlte Erzherzog 
Karl durch bedachtsames Zaudern. Er konnte, da die Hauptmasse der 
französischen Armee noch nicht heran war und fast nur Rheinbündner 
ihm gegenüberstanden, durch einen kühnen Vorstoß den Kriegsschauplatz 
sogleich nach Schwaben hinein verlegen, doch er verlor unschätzbare Tage 
indem er seine gesammelte Armee theilte. Indem kam Napoleon selbst 
herbei und nahm sein Hauptquartier unter den bairischen Regimentern, 
wie sonst inmitten seiner Garde. Die tapferen Truppen fühlten sich hoch 
geehrt; der alte Stammeshaß flammte wieder auf als der Imperator
	        
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