Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

26 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden. 
haben mehrmals den Plan erwogen, hier in der günstigen Lage zwischen 
dem Elb= und Odergebiete, zwischen den schwächlichen Kleinstaaten Mecklen- 
burgs, Pommerns und Schlesiens eine Großmacht des Nordostens zu 
errichten. Noch größer schien sich das Schicksal der Marken zu gestalten, 
als die Burggrafen von Nürnberg den Kurhut empfingen: Friedrich I1. 
war der Führer der deutschen Fürsten bei der Reformbewegung in Reich 
und Kirche, Albrecht Achill der bewunderte Held des ritterlichen Adels 
in den Kämpfen gegen die Städte. Zugleich begann im Innern eine 
kühne und feste monarchische Politik. Früher als das heilige Reich er- 
hielt die Mark ihren Landfrieden, durch Friedrich I.; früher als in ande- 
ren Reichslanden wurde hier die Untheilbarkeit des Staates gesetzlich aus- 
gesprochen durch die Gesetze Albrecht Achill's. Adel und Städte beugten 
ihren trotzigen Nacken vor der Willenskraft der drei ersten Hohenzollern. 
Aber dem vielverheißenden Anlaufe entsprach der Fortgang nicht. Die 
Nachfolger jener hochstrebenden Helden sanken bald zurück in die bequeme 
Enge deutscher Kurfürstenpolitik. Sie verloren die kaum errungene landes- 
herrliche Gewalt zum guten Theile wieder an den Landtag, hielten mit 
ihren übermüthigen Herren Ständen wohl oder übel Haus, suchten wie 
alle mächtigeren Reichsfürsten Verwaltung und Rechtspflege ihres Landes 
vor jedem Eingriff der Reichsgewalt zu behüten und blieben dabei dem 
Kaiserhause hold und gewärtig; sie traten spät und zögernd in die lutherische 
Kirche ein, überließen die Führung der protestantischen Parteien gemäch- 
lich an Kursachsen und Kurpfalz. 
Mit gutem Grunde sagt König Friedrich in den Denkwürdigkeiten 
seines Hauses: wie ein Fluß erst werthvoll werde, wenn er schiffbar sei, 
so gewinne die Geschichte Brandenburgs erst gegen Anfang des siebzehnten 
Jahrhunderts tiefere Bedeutung. Erst unter Kurfürst Johann Sigis- 
mund traten drei entscheidende Ereignisse ein, welche den Marken eine 
große Zukunft, eine von dem Leben der übrigen Reichsländer grund- 
verschiedene Entwickelung verhießen: die Vereinigung des secularisirten 
Deutsch-Ordenslandes mit Brandenburg, der Uebertritt des Fürsten- 
hauses zur reformirten Kirche, endlich die Erwerbung der niederrheinischen 
Grenzlande. 
Auch andere Reichsfürsten, Katholiken wie Protestanten, hatten ihre 
Macht durch die Güter der alten Kirche erweitert. Im Ordenslande 
aber wagte die Politik der deutschen Protestanten ihren verwegensten 
Griff; auf Luther's Rath entriß der Hohenzoller Albrecht der römischen 
Kirche das größte ihrer geistlichen Territorien. Das gesammte Gebiet 
des neuen Herzogthums Preußen war entfremdetes Kirchengut; des 
Papstes Bann und des Kaisers Acht trafen den abtrünnigen Fürsten. 
Niemals wollte der römische Stuhl diesen Raub anerkennen. Indem die 
märkischen Hohenzollern die Herzogskrone ihrer preußischen Vettern mit 
ihrem Kurhute verbanden, brachen sie für immer mit der römischen Kirche;
	        
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