Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Widerstand des Landadels. 373 
Staatskanzler mit Protesten und Rechtsverwahrungen, bald Einzelne allein, 
bald ganze Landschaften, doch Niemand häufiger und lauter als die Stände 
der Lande Lebus, Beeskow und Storkow, wo Marwitz hauste. Auch der 
Romantiker Adam Müller stellte seine Feder den Vorkämpfern der stän- 
dischen Libertät zur Verfügung. Als der Staatskanzler nach seiner bu- 
reaukratischen Weise fragte, woher diese Gutsbesitzer das Recht nähmen 
sich Stände zu nennen, da antwortete Marwitz"): „die Qualität der 
Landstandschaft ist uns angeboren so gut wie unsere Familiennamen, 
und wir können also eigentlich ebenso wenig angeben, wodurch wir Stände 
sind als wodurch wir unsere angeborenen Namen führen!“ Die Ritter- 
schaft der Priegnitz — voran die Herren von Quitzow und Wartensleben 
— erklärte'*): „die Kur= und Neumark Brandenburg, gleichsam der Kern 
der gesammten preußischen Monarchie, hat von jeher einen besonderen, 
von den übrigen Provinzen abgesonderten Staat gebildet, welcher seine 
ihm eigenthümliche Verfassung hat;“ sie verlangte demgemäß, daß kein 
Steuergesetz ohne Genehmigung der Stände erlassen werde. 
Der unerschrockene Reformer ließ sich nicht stören. Die allerdings 
sehr zweifelhafte Rechtsfrage bekümmerte ihn wenig; war doch die gesammte 
Verfassung der neuen preußischen Monarchie aus der Bekämpfung der 
altständischen Rechte hervorgegangen. Ihm genügte die Einsicht, daß die 
Berufung der alten Provinziallandtage der sichere Untergang der neuen 
Gesetze war. Um die Nation von der Nothwendigkeit des Geschehenen 
zu überzeugen und sie auf weitere Reformen vorzubereiten, wurde am 
23. Februar 1811 eine „Landesdeputirten-Versammlung“ in Berlin er- 
öffnet?*“*): ein Beamter aus jeder der acht Provinzialregierungen, acht- 
zehn Ritter, elf Städter, acht Bauern, sie allesammt von der Krone er- 
nannt. Da die erbitterten Stände von Brandenburg und Pommern sich 
beschwerten und unaufgefordert Abgeordnete aus ihrer Mitte sendeten, 
ließ der Staatskanzler auch noch einige dieser „Nebendeputirten“ zu. Also 
wurden zum ersten male seit diese Monarchie bestand Vertreter aller Landes- 
theile zusammenberufen, allein nach dem Ermessen der Krone, ohne Rück- 
sicht auf die ständischen Rechte und Ansprüche der Territorien. Der Ein- 
tritt der acht bäuerlichen Deputirten galt in den altständischen Kreisen 
als das erste Signal einer furchtbaren Umwälzung. Mancher der Zeit- 
genossen erinnerte sich an die Versammlung der Notabeln beim Aus- 
bruche der französischen Revolution; doch das Ansehen der preußischen 
Krone stand ungleich fester als die Macht der Bourbonen, und sie ge- 
währte ihren Notabeln von Haus aus sehr bescheidene Befugnisse: nur 
  
*) Eingabe an Hardenberg, 30. Jan. 1811. 
**) Eingabe an den König, Perleberg 24. Jan. 1811. 
**“) Ich benutze hier u. A. den im Berliner G. St. Archiv verwahrten Actenmäßigen 
Bericht über die Versammlung der ständischen Landesdeputirten von 1811 und der interi- 
mistischen Nationalrepräsentation 1812—15. (Von Riedel. 1841.)
	        
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