Beginn des Frühjahrsfeldzugs. 455
meinte noch als die Wuth des Kampfes längst verraucht war: „dies Volk
ist mich zuwider!“ — während ihm der laute Freimuth und der derbe
Humor „des närrischen Volkes“ der Engländer von Herzen behagten. So—
bald der Krieg begann widmete er sich mit ganzer Kraft seinem Berufe
und legte sogar die geliebten Spielkarten aus der Hand um sie nicht wieder
zu berühren vor dem Einzuge in Paris. Er kannte die Gebrechen seiner
Bildung und wußte, daß er eines methodisch geschulten Kopfes bedurfte,
der ihm die Gedanken für die Kriegführung angab. So hatte er im Feld—
zuge von 1806 die Ideen Scharnhorst's ausgeführt; neidlos, in aufrich—
tiger Bescheidenheit erkannte er die geistige Ueberlegenheit des Freundes
an und freute sich ihn auch diesmal als Generalquartiermeister an seiner
Seite zu sehen. Mit diesem hellen Kopfe und seiner eigenen Verwegen—
heit dachte er der ganzen Welt zu trotzen — denn einen vielköpfigen
Kriegsrath hat der Alte nie gehalten.
Doch vorläufig stand er selbst noch unter russischem Oberbefehle.
Nach dem Tode des unfähigen alten Feldmarschalls Kutusow übernahm
General Wittgenstein die Führung des verbündeten Heeres, ein tapferer
wohlmeinender Soldat ohne die Gaben des Feldherrn. Das russische
Hauptquartier war, stolz auf die Erfolge des jüngsten Jahres, wenig ge—
neigt auf die Rathschläge der Preußen zu hören. Schon am Tage nach
dem Aufrufe des Königs brach Blücher aus Breslau auf, überschritt die
Elbe bei Dresden, unterwarf fast ganz Sachsen bis auf die Festungen
und rückte in den ersten Tagen des April bis in die Altenburger Gegend;
seine leichten Truppen schweiften weit nach Westen, über Gotha hinaus.
Gleichzeitig näherten sich im Norden York und Bülow der Elbe, schlugen
den Vicekönig Eugen in dem glänzenden Gefechte von Möckern — dem
ersten größeren Treffen, das den Franzosen zeigte, daß sie nicht mehr mit
dem Heere von 1806 zu thun hatten — und gingen im Anhaltischen auf
das linke Ufer des Stromes über.
Wenn Scharnhorst und seine Freunde anfangs hofften, es werde ge—
lingen vor Napoleon's Ankunft einen großen Theil von Westdeutschland zu
besetzen und überall die Volksbewaffnung in Gang zu bringen, so mußten
sie bald erkennen, wie wenig die verfügbaren Streitkräfte vorderhand noch
für so großartige Entwürfe ausreichten. Ein glücklicher Angriff des kleinen
Dörnberg'schen Corps auf Lüneburg gab zwar ein erhebendes Zeugniß
von der Tapferkeit des jungen Heeres — die Soldaten priesen den ersten
Ritter des eisernen Kreuzes, Major Borcke, die Poeten besangen das
Heldenmädchen Johanna Stegen, das den Kämpfern im dichten Kugel—
regen Pulver und Blei zutrug — jedoch das vereinzelte Unternehmen
hatte keine bleibenden Folgen. Eine Schilderhebung der Patrioten im
Bremischen wurde durch Vandamme, den rohesten und wüstesten der
napoleonischen Generale, rasch niedergeworfen und grausam bestraft. Auch
von den Festungen diesseits der Elbe waren bis zu Ende April nur Thorn