Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Prager Congreß. 471 
Bevollmächtigter eintraf; endlich erschien Narbonne, aber ohne genügende 
Beglaubigung. Wieder vergingen einige Tage bis Caulaincourt am 
28. Juli ankam. Dann begann ein Austausch von diplomatischen Noten 
über die Form der Verhandlungen; die französischen Bevollmächtigten 
warfen dabei mit hämischen Bemerkungen nach allen Seiten hin um sich 
und setzten den leeren Formenstreit hartnäckig fort bis zum letzten Tage 
der Waffenruhe, dergestalt daß auf diesem wunderlichsten aller Congresse 
nicht einmal eine gemeinsame Sitzung der Bevollmächtigten stattfinden konnte. 
Der offenbare Hohn, der aus dem Auftreten der Franzosen sprach, 
sagte dem österreichischen Minister genug. Er fühlte, daß sein Hof nicht 
mehr zurück konnte und traf in der Stille seine Maßregeln um dem Kaiser- 
hause einen reichen Kriegslohn zu sichern. Noch während des Congresses 
wurde zu Prag am 27. Juli mit den Verbündeten eine geheime Verein- 
barung geschlossen, wonach Oesterreich das Königreich Italien und Illy- 
rien erhalten sollte; der König von Sardinien erhielt sein Erbe zurück, 
Mittelitalien zusammt Genua wurde unter den Erzherzogen der österrei- 
chischen Vetterschaft aufgetheilt; Sicilien blieb den von England beschützten 
Bourbonen. Ja die Verbündeten versprachen sogar im Voraus Alles gut- 
zuheißen was Oesterreich auf der Halbinsel thun würde.“) Einige Wochen 
darauf trat auch England diesem Vertrage bei. Die Absicht des briti- 
schen Cabinets war einfach die französische Herrschaft aus Italien zu ver- 
drängen; eine italienische Nation wollten die Torys nicht anerkennen, 
auch über die Ansprüche des Papstes ging man gleichmüthig hinweg. Der 
russische Hof, der alte Gönner Piemonts, der unter Kaiser Paul die 
italienischen Pläne Oesterreichs so lebhaft bekämpft hatte, sagte sich von 
seinen bewährten Traditionen los, da die Freundschaft des Wiener Cabinets 
jetzt über allen anderen Rücksichten stand. Die preußischen Staatsmänner 
aber fanden das Ansinnen Metternich's ganz unbedenklich. Daß die Hof- 
burg die alten Thugut'schen Projecte wieder aufnehmen würde, galt dem 
Staatskanzler von vornherein als selbstverständlich. Er hat sogar Oester- 
reich aufgefordert, die Italiener zum Freiheitskampfe aufzubieten; in Knese- 
beck's Denkschriften hieß es kurzab: „was Oesterreich in Italien verlangt 
liegt ja in der Natur der Dinge.“ 
Die Stellung des Mediators, der also bereits durch zwei geheime 
Verträge seine Unparteilichkeit aufgegeben hatte, wurde täglich unhaltbarer; 
das Possenspiel des Congresses drängte zum Ende. Vier Tage vor Ab- 
lauf der Waffenruhe wendete sich Napoleon noch einmal mit einer ver- 
traulichen Anfrage an Oesterreich allein — offenbar nur um nachher der 
  
*) Der Wortlaut dieses Vertrages ist noch unbekannt. Sein wesentlicher Inhalt 
erhellt aus einer Note Metternich's an Castlereagh, Paris 27. Mai 1814, welche Farini 
(Storia d'Italia dall’ anno 1814. 1. 27) im Turiner Hausarchive gefunden hat. Vieles 
an dem Hergang erscheint noch räthselhaft. [Die angebliche Note Metternich's ist eine 
Fälschung Vergl. A. Stern, Geschichte Europas I. 275.]
	        
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