Blücher über den Rhein. 537
das der Kronprinz im letzten Sommer dem preußischen Staatskanzler zu-
gesagt hatte, an Dänemark abgetreten. Hardenberg erging sich in bitteren
Anklagen gegen die Treulosigkeit des Bearners und nahm sich fest vor,
diesen Streich unter keinen Umständen zu ertragen. Zu seiner Genug-
thuung erhielt er bald darauf eine Zuschrift von dem ersten Grundherrn
Schwedisch-Pommerns, dem Fürsten Putbus, der sich im Namen seiner
Landsleute feierlich gegen die Abtretung an Dänemark verwahrte.)) Jedoch
das Alles lag noch in weitem Felde. Als der Krieg von Neuem anhob,
war Preußen wohl des Sieges sicher, doch nicht des Siegespreises.
In der Neujahrsnacht von 1814 saßen zu Caub am Rhein die Offi-
ziere des schlesischen Hauptquartiers beim vollen Römer und gedachten
in froh bewegtem Gespräche des großen Wandels der Zeiten. Vor einem
Jahre gerade hatte York noch jenseits der deutschen Ostgrenze jenen Ver-
trag geschlossen, der den Preußen den Anbruch des Entscheidungskampfes
ankündigte; heute stand Blücher mit Yorks siegreichen Truppen vor den
Thoren der deutschen Westmark, an der nämlichen Stelle, wo er vor
zwanzig Jahren den ersten Krieg um die Befreiung der linksrheinischen
Lande eröffnet hatte. Mittlerweile schlugen die Russen draußen bei schar-
fem Froste eine Schiffbrücke hinüber nach der kleinen Insel, die das graue
Gemäuer der alten Pfalz trägt; dort bestieg Graf Brandenburg mit den
brandenburgischen Füsilieren in tiefer Stille die Kähne, und um Mitter-
nacht erklang am linken Ufer der donnernde Hurrahruf der Landenden.
Die Glücklichen hatten das anbefohlene Schweigen doch nicht bewahren
können; der Jubel mußte heraus, zu herrlich war die Stunde, die der
Sehnsucht so vieler arger Jahre die Erfüllung brachte. Am nächsten
Tage feierte drüben die fröhliche Pfalz ihr lustiges Neujahrsfest: Musik
und Gesang und Freudenrufe überall, wo die Preußen einzogen; die
treuen Protestanten auf dem Hunsrücken waren allzeit gut deutsch ge-
blieben und begrüßten ihre Befreier mit wärmerem Danke als ihre Nach-
barn in den Krummstabslanden. Gleichzeitig zog General St. Priest mit
seinen Russen in Coblenz ein, und als er neben der Castorkirche den
neuen Brunnen sah mit der prahlerischen Inschrift zu Ehren der Ein-
nahme von Moskau, ließ er vergnüglich sein „Gesehen und genehmigt“
darunter schreiben.
Ohne ernsten Widerstand zu finden marschirte das schlesische Heer
durch Lothringen. Die mit Rekruten schwach bemannten Festungen konnten,
wie Gneisenau vorausgesagt, den Verbündeten nicht gefährlich werden;
und bald zog das große Publicum aus den außerordentlichen Erfahrungen
dieses Feldzuges den übereilten Schluß, die Zeit der Festungen sei vor-
*) Eingabe des Fürsten Malte zu Putbus, Januar 1814.