Blücher's zweiter Marsch auf Paris. 549
halten und nach heftigem Streite der Antrag Blücher's angenommen.
Jenes sonderbare Verhältniß, das im letzten Sommer nur thatsächlich
bestanden hatte, erhielt jetzt die amtliche Anerkennung: das kleine schlesische
Heer übernahm den Hauptstoß zu führen, die große Armee verhielt sich
abwartend. Der Ausgang des Feldzugs, schrieb Friedrich Wilhelm seinem
Feldmarschall, liegt von nun an zunächst in Ihrer Hand.
Während Blücher seelenfroh, ohne erst die Erlaubniß der Monarchen
abzuwarten seinen zweiten Marsch gegen Paris antrat, wiederholte sich
im großen Hauptquartiere tagaus tagein das alte Spiel. „Die Erbitte-
rung und das Mißtrauen Oesterreichs sind auf dem Gipfel“ — klagte
der Staatskanzler.“') Unaufhörlich ließ der Imperator die Oesterreicher
durch geheime Zuschriften bearbeiten, und Kaiser Franz ging auf diese
vertragswidrigen Sonderverhandlungen mit verdächtigem Eifer ein. Wollt
Ihr noch immer, so fragte Berthier den Oberfeldherrn der Alliirten, Euer
reinstes Blut vergießen um die übel berechnete Rachsucht Rußlands und
die selbstsüchtige Politik Englands zu befriedigen? Die Angst vor der
Uebermacht des Czaren lastete schwer und schwerer auf dem Wiener Ca-
binette. Das Gleichgewicht in Osteuropa zu sichern — dies bezeichnete
Gentz in seinen Briefen an Karadja als die Hauptaufgabe der nächsten
Zukunft; ein Friede, der den Franzosen das linke Rheinufer überlasse,
sei immer noch weniger traurig als der Sturz Napoleon's. Und was
anders als die Entthronung des Schwiegersohnes konnte die Folge sein
wenn der Zug der Schlesier gelang? Die Unmöglichkeit mit diesem Manne
einen ehrlichen Frieden zu schließen ließ sich seit den Erfahrungen von
Chatillon nicht mehr verkennen. Der Mensch muß herunter! — darüber
war nur eine Stimme in der preußischen Armee. Und schon traten seine
glücklichen Erben auf den Schauplatz; der Graf von Artois erschien in
Frankreich, im Rücken der verbündeten Heere und fand an Stein einen
warmen Fürsprecher. Der deutsche Staatsmann wußte wohl, welch ein
Wagniß es sei ein Herrscherhaus, das einer längst versunkenen Zeit an-
gehörte, zurückzuführen. Der Czar haßte die steife Hoffart der Bour-
bonen, der König liebte sie nicht; unter den verbündeten Monarchen zeigte
allein der welfische Prinzregent, als unbedingter Anhänger des göttlichen
Königsrechts, lebhaften Eifer für die alte Dynastie. Gleichwohl gewann
ihre Sache täglich an Boden, denn Niemand wußte einen anderen Nach-
folger für Napoleon vorzuschlagen. «
Um so ängstlicher ging Oesterreich der Entscheidung aus dem Wege.
Hatte man den Zug Blücher's leider nicht verhindern können, so durfte
mindestens Schwarzenberg nichts Entscheidendes wagen. Seine Truppen
fühlten sich schon ganz niedergeschlagen von dem ewigen Rückzuge und
den ziellosen Hin= und Hermärschen. In der zweiten Hälfte des Decembers
*) Hardenberg's Tagebuch, 27. Februar 1814.