Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

652 II. 1. Der Wiener Congreß. 
zurück, bot dem preußischen Freunde nur noch ein Fünftel des sächsischen 
Landes, ein Stück der Lausitz mit etwas über 400,000 Einwohnern: erhalte 
der Albertiner seine Krone nicht wieder, so komme der Deutsche Bund 
nicht zu Stande und Frankreich übernehme wieder das Protectorat der 
Kleinstaaten. Während er also die Preußen vor den französischen Ränken 
warnte, übergab er selbst (16. Dec.) diese seine vertrauliche Note an Talley- 
rand, auf Befehl des Kaisers Franz, damit König Ludwig ersehe, welche 
„vollkommene Uebereinstimmung der Ansichten“ zwischen Oesterreich und 
Frankreich in der sächsischen Frage bestehe! Die Treulosigkeit der Hofburg 
enthüllte sich so ungescheut, daß der ehrliche Görres entrüstet schrieb: 
Preußen braucht nur die beiden k. k. Noten vom 22. Oct. und 10. Dee. 
neben einander drucken zu lassen, um in den Augen aller rechtschaffenen 
Leute Recht zu behalten. Hardenberg war wie aus den Wolken gefallen; 
„non fidem servavit“ schrieb er verzweifelnd in sein Tagebuch, als er das 
Eintreffen jener „ganz und gar unerwarteten“ Antwort verzeichnete.) 
Doch sah er wohl, daß auf die Meinung der rechtschaffenen Leute in 
diesem Machtkampfe gar nichts ankam; er sprach dem Oesterreicher (in 
einer mit Alexander vereinbarten Note vom 16. Dee.) sein schmerzliches 
Befremden über den Gesinnungswechsel der Hofburg aus und bot, da 
sein westphälischer Entschädigungsplan keinen Anklang gefunden, jetzt ein 
Stück des linksrheinischen Landes, mit Trier und Bonn, zur Versorgung 
Friedrich August's an. Die Verkehrtheit dieses nur durch die letzte pein- 
liche Verlegenheit abgedrungenen Gedankens leuchtet heute Jedem ein: den 
Albertiner dicht neben der französischen Grenze ansiedeln hieß geradezu 
den Franzosen ein bequemes Ausfallsthor gegen Deutschland öffnen. Wenn 
aber Metternich die schwache Seite des preußischen Vorschlags sofort er- 
spähte und salbungsvoll erwiderte: nimmermehr dürfe das linke Rheinufer 
also den Franzosen bloßgestellt werden — so führte er nur sein unred- 
liches Spiel weiter, denn mit diesem gefürchteten Frankreich stand er selber 
bereits in herzlichem Einverständniß. Um die Gegner zu theilen, forderte 
Hardenberg zugleich die fränkischen Markgrafschaften von Baiern zurück. 
Es war ein unglücklicher Schachzug, obschon die polternde Gehässigkeit der 
bairischen Staatsmänner wohl eine Züchtigung verdiente. Der Staats- 
kanzler hatte Ansbach-Bayreuth zwar noch nicht in einem förmlichen Ver- 
trage abgetreten, doch mehrmals mündlich sich bereit erklärt, das Herzog- 
thum Berg als Entschädigung anzunehmen; wenn er jetzt ohne Aussicht 
auf Erfolg den alten Streit wieder aufrührte, so gab er nur den Met- 
ternich, Wrede und Talleyrand willkommenen Anlaß, die „preußischen Kniffe“ 
vor der diplomatischen Welt zu verklagen. Er schloß seine Note mit der 
Versicherung, daß Preußen noch immer zumeist auf Rußlands und Oester- 
reichs Beistand baue. 
  
*) Hardenberg's Tagebuch, 10. 12. Dec. 1814.
	        
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