58 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
Vorwitzigen, die sich früherhin der Empörung gegen die alte Kaisermacht
erdreistet hatten. Auch König Friedrich wußte, daß der letzte entscheidende
Waffengang noch bevorstand. Er versuchte einmal während der kurzen
Friedensjahre, den Sohn Maria Theresia's von der Kaiserwürde aus-
zuschließen, für die Zukunft mindestens das Reich von dem Hause Oester-
reich zu trennen; der Plan scheiterte an dem Widerspruche der katholischen
Höfe. Der unversöhnliche Gegensatz der beiden führenden Mächte Deutsch-
lands bestimmte auf lange hinaus den Gang der europäischen Politik, ent-
zog dem heiligen Reiche die letzte Lebenskraft. Die Nation sah in banger
Ahnung einen neuen dreißigjährigen Krieg heraufziehen. Was in der
stillen Arbeit schwerer Jahrzehnte langsam gereift war erschien dem näch-
sten Menschenalter nur als ein wunderbarer Zufall, als das glückliche
Abenteuer eines genialen Kopfes. Ganz einsam steht in dem diploma-
tischen Briefwechsel des Zeitraums jenes Seherwort des Dänen Bern-
storff, der im Jahre 1759 traurig an Choiseul schrieb: „Alles was Sie
heute unternehmen um zu verhindern, daß sich in der Mitte Deutsch-
lands eine ganz kriegerische Monarchie erhebe, deren eiserner Arm bald
die kleinen Fürsten zermalmen wird — das Alles ist verlorene Arbeit!“
Alle Nachbarmächte im Osten und im Westen grollten dem Glücklichen,
der aus den Wirren des österreichischen Erbfolgekrieges allein den Sieges-
preis davongetragen, und wahrlich nicht nur der persönliche Haß mäch-
tiger Frauen wob an dem Netze der großen Verschwörung, das sich über
Friedrich's Haupte zusammenzuziehen drohte. Europa fühlte, daß die
altüberlieferte Gestalt der Staatengesellschaft in's Wanken kam, sobald
die sieghafte Großmacht in der Mitte des Festlandes sich befestigte. Der
römische Stuhl sah mit Sorgen, wie die verhaßte Heimath der Ketzerei
ihren eigenen Willen wiederfand; nur durch Roms Mithilfe ist es ge-
lungen, daß die alten Feinde, die beiden katholischen Großmächte Oester-
reich und Frankreich zum Kampfe gegen Preußen sich vereinten. Es galt
die Ohnmacht Deutschlands zu verewigen.
Durch einen verwegenen Angriff rettete der König seine Krone vor
dem sicheren Verderben, und als er nun durch sieben entsetzliche Jahre
seinen deutschen Staat am Rhein und Pregel, an der Peene und den
Riesenbergen gegen fremde und halbfremde Heere vertheidigt hatte und im
Frieden den Bestand seiner Macht bis auf das letzte Dorf behauptete, da
schien Preußen wieder an derselben Stelle zu stehen wie beim Beginn des
mörderischen Kampfes. Kein Fußbreit deutscher Erde war ihm gewonnen,
das halbe Land lag verwüstet, die reiche Friedensarbeit dreier Geschlechter
war nahezu vernichtet, die unglückliche Neumark begann die Arbeit der
Cultur zum vierten male von vorn. Der König selber konnte niemals
ohne Bitterkeit jener schrecklichen Tage gedenken, da das Unglück alle Pein,
die ein Mann ertragen mag, bis über das Maß des Menschlichen hinaus,
auf seine Schultern häufte; was er damals gelitten erschien ihm wie die