Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Das englisch-deutsche Heer. 733 
gezogen, daß man ihn geradezu wie ein Mitglied des Cabinets betrachtete. 
Er theilte das Mißtrauen der Torys gegen die aufstrebenden Mächte 
Preußen und Rußland, war in den Geheimnissen der Cabinette weit 
gründlicher bewandert als das Blücher'sche Hauptquartier und übernahm 
sein Commando sogleich mit einem festen, klar durchdachten politischen 
Plane — mit der Absicht den legitimen König wieder in das Schloß 
seiner Väter zurückzuführen. 
Unter den 94,000 Mann seines Heeres waren 32,000, etwa ein 
Drittel, Engländer, 37,000 Deutsche, 25,000 Niederländer. Von den 
Deutschen waren nur die ruhmreichen Regimenter der Deutschen Legion, 
etwa 7000 Mann, ebenso kriegserfahren wie die wohlgedrillten englischen 
Veteranen, die Mannschaft weniger roh, die Offiziere nach deutscher Weise 
höher gebildet; auch die schwarze Schar des Herzogs von Braunschweig 
bestand größtentheils aus geschulten Soldaten. Dagegen befand sich unter 
den Hannoveranern und Nassauern viel junge Mannschaft, desgleichen 
unter den neugebildeten niederländischen Regimentern; auf die französisch 
gesinnten Belgier war überdies kein Verlaß. Wellington betrachtete diese 
buntscheckige Armee mit geringem Zutrauen und suchte ihr mehr sittlichen 
Halt zu geben indem er die alten Regimenter mit den jungen Truppen 
durcheinander mischte. Auch von dem kriegerischen Werthe des preußischen 
Heeres dachte er nicht hoch. Wohl kamen Augenblicke, da Blücher's mächtige 
Persönlichkeit, der hohe Schwung der Seele, der aus den Worten und 
Blicken des Alten sprach, selbst diesen Nüchternen bezauberte; was für 
ein schöner alter Knabe er doch ist,“ sagte er einmal mit ungewohnter 
Wärme, als er dem Davonreitenden nachblickte. Aber der „republikanische 
Geist“ dieses Volksheeres blieb ihm unheimlich. War doch der stürmische 
nationale Stolz und Thatendrang der preußischen Armee jetzt schon allen 
Höfen verdächtig geworden; selbst der Czar meinte um jene Zeit, er 
werde wohl noch einst seinen preußischen Freund gegen dessen eigenes 
Heer beschützen müssen. 
Obwohl Wellington, wie die meisten seiner Landsleute, im Stillen 
der Meinung war, daß der Sturz des Weltreichs eigentlich durch den 
spanischen Krieg bewirkt worden sei, so sah er doch nicht ohne Sorge dem 
Augenblicke des ersten persönlichen Zusammentreffens mit Napöleon selber 
entgegen. Der Gefahr einer Niederlage wollte und durfte er sich nicht 
aussetzen; denn wie sollte England die von den anderen Höfen nicht ge- 
wünschte Zurückführung der Bourbonen erwirken, wenn sein kleines 
Heer geschlagen wurde? Darum ging er mit höchster Vorsicht zu Werke. 
Sobald der Kriegsrath in Wien die Vertagung des Kampfes beschlossen 
hatte, fügte sich der englische Feldherr nach seiner Gewohnheit unweiger- 
lich dem Befehle und richtete sich auf eine behutsame Vertheidigung tin. 
Während Blücher durch die Schwierigkeiten der Verpflegung genöthigt 
ward, sein Heer nördlich der Sambre weit auseinanderzulegen — doch
	        
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