Das englisch-deutsche Heer. 733
gezogen, daß man ihn geradezu wie ein Mitglied des Cabinets betrachtete.
Er theilte das Mißtrauen der Torys gegen die aufstrebenden Mächte
Preußen und Rußland, war in den Geheimnissen der Cabinette weit
gründlicher bewandert als das Blücher'sche Hauptquartier und übernahm
sein Commando sogleich mit einem festen, klar durchdachten politischen
Plane — mit der Absicht den legitimen König wieder in das Schloß
seiner Väter zurückzuführen.
Unter den 94,000 Mann seines Heeres waren 32,000, etwa ein
Drittel, Engländer, 37,000 Deutsche, 25,000 Niederländer. Von den
Deutschen waren nur die ruhmreichen Regimenter der Deutschen Legion,
etwa 7000 Mann, ebenso kriegserfahren wie die wohlgedrillten englischen
Veteranen, die Mannschaft weniger roh, die Offiziere nach deutscher Weise
höher gebildet; auch die schwarze Schar des Herzogs von Braunschweig
bestand größtentheils aus geschulten Soldaten. Dagegen befand sich unter
den Hannoveranern und Nassauern viel junge Mannschaft, desgleichen
unter den neugebildeten niederländischen Regimentern; auf die französisch
gesinnten Belgier war überdies kein Verlaß. Wellington betrachtete diese
buntscheckige Armee mit geringem Zutrauen und suchte ihr mehr sittlichen
Halt zu geben indem er die alten Regimenter mit den jungen Truppen
durcheinander mischte. Auch von dem kriegerischen Werthe des preußischen
Heeres dachte er nicht hoch. Wohl kamen Augenblicke, da Blücher's mächtige
Persönlichkeit, der hohe Schwung der Seele, der aus den Worten und
Blicken des Alten sprach, selbst diesen Nüchternen bezauberte; was für
ein schöner alter Knabe er doch ist,“ sagte er einmal mit ungewohnter
Wärme, als er dem Davonreitenden nachblickte. Aber der „republikanische
Geist“ dieses Volksheeres blieb ihm unheimlich. War doch der stürmische
nationale Stolz und Thatendrang der preußischen Armee jetzt schon allen
Höfen verdächtig geworden; selbst der Czar meinte um jene Zeit, er
werde wohl noch einst seinen preußischen Freund gegen dessen eigenes
Heer beschützen müssen.
Obwohl Wellington, wie die meisten seiner Landsleute, im Stillen
der Meinung war, daß der Sturz des Weltreichs eigentlich durch den
spanischen Krieg bewirkt worden sei, so sah er doch nicht ohne Sorge dem
Augenblicke des ersten persönlichen Zusammentreffens mit Napöleon selber
entgegen. Der Gefahr einer Niederlage wollte und durfte er sich nicht
aussetzen; denn wie sollte England die von den anderen Höfen nicht ge-
wünschte Zurückführung der Bourbonen erwirken, wenn sein kleines
Heer geschlagen wurde? Darum ging er mit höchster Vorsicht zu Werke.
Sobald der Kriegsrath in Wien die Vertagung des Kampfes beschlossen
hatte, fügte sich der englische Feldherr nach seiner Gewohnheit unweiger-
lich dem Befehle und richtete sich auf eine behutsame Vertheidigung tin.
Während Blücher durch die Schwierigkeiten der Verpflegung genöthigt
ward, sein Heer nördlich der Sambre weit auseinanderzulegen — doch