Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Bairischer Erbfolgekrieg. 67 
Tribunale zu plaidiren“, und der erbitterte Fürst Kaunitz sprach jene 
Weissagung, die auf dem Felde von Königgrätz wider den Sinn des Pro— 
pheten sich erfüllen sollte: wenn je die Schwerter Oesterreichs und Preußens 
nochmals auf einander schlügen, dann würden sie nicht eher wieder in die 
Scheide fahren, „als bis die Entscheidung offenbar, vollkommen, unwider— 
ruflich gefallen sei“. Noch werthvoller fast als der augenblickliche Erfolg 
war der mächtige Umschwung der Meinung im Reiche. Der gefürchtete 
Störenfried, der Rebell gegen Kaiser und Reich erschien der Nation jetzt 
als der weise Beschirmer des Rechtes; die kleinen Höfe, die so oft vor 
dem preußischen Degen gezittert, blickten nunmehr, aufgescheucht durch 
Kaiser Joseph's rastlose Pläne, hilfesuchend nach dem Schiedsrichter in 
Sanssouci. An den Bauernhäusern im bairischen Hochgebirge hing das 
Bild des Alten mit dem dreispitzigen Hute neben dem Volksheiligen Cor- 
binian. In den Chor der schwäbischen und norddeutschen Poeten, die von 
dem Ruhme des Königs erzählten, mischten sich bereits einzelne Stimmen 
aus dem tief verfeindeten Kursachsen; der Barde Ringulph besang in 
verzückten Oden, wie „aus der Allmacht Schooße, König Friedrich, deine 
große schlachtenfrohe Seele ging“. Vor Kurzem noch hatte K. F. Moser 
ausgesprochen, der Blick des gewöhnlichen Menschen vermöge diesem Adler 
nicht in seine Höhen zu folgen, vielleicht erscheine dereinst ein Newton 
der Staatswissenschaft, der die Bahnen der fridericianischen Politik er- 
messe. Jetzt aber begannen die Deutschen zu fühlen, daß diese räthsel- 
hafte Politik im Grunde wunderbar einfach war, daß der Staatsmann 
Friedrich, jedes Hasses, jeder Liebe baar, gleichsam unpersönlich, immer 
nur wollte was die klar erkannte Lage seines Staates gebot. 
Als die Empörung in Nordamerika ausbrach und die aufgeklärte 
Welt der neuen Sonne, die im Westen aufging, zujubelte, da hat auch 
Friedrich seine Freude nicht verhehlt. Seiner jungen Großmacht war ein 
neuer Staat, der sich in den Kreis der alten Mächte eindrängte, will- 
kommen; es that ihm wohl, dies England, das ihn im letzten Kriege so 
schmählich verrathen und ihn dann während der polnischen Händel an 
der Erwerbung von Danzig gehindert hatte, jetzt in peinlicher Verlegenheit 
zu sehen. Er erklärte offen, daß er nicht zum zweiten male Hannover 
für das undankbare England vertheidigen werde; er hat einmal sogar den 
Durchmarsch der in Deutschland erkauften englischen Hilfsvölker verboten, 
weil ihn dieser schmutzige Menschenhandel empörte und mehr noch weil 
er der jungen Männer aus dem Reiche für sein eigenes Heer bedurfte. 
Er benutzte die Noth der Meereskönigin um durch den Bund der bewaff- 
neten Neutralität die Rechte der Marinen zweiten Ranges zu wahren; 
er schloß nach dem Frieden, der Erste unter den europäischen Fürsten, 
einen Handelsvertrag mit der jungen Republik und bekannte sich darin 
zu jener freien, menschlichen Auffassung des Völkerrechts, welche seitdem 
eine treu bewahrte Ueberlieferung des preußischen Staates geblieben ist. 
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