Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Preußen an der Spitze der Mittelstaaten. 781 
die Staatsmänner am stärksten den Gesichtspunkt der militärischen Siche— 
rung hervor, den einzigen, der auf eine Diplomatenversammlung einigen 
Eindruck machen konnte. Dr. Butte dagegen, in seiner vielgelesenen Schrift 
über die Friedensbedingungen, sowie die Mehrzahl der deutschen Zeitungen 
nahmen den Gedankengang Arndt's wieder auf und forderten die Sprach— 
grenze als ein natürliches Recht der Nation. Bei der freundlichen Ge— 
sinnung hüben und drüben stand auch ein ernster Streit über die Ver— 
theilung der Beute nicht zu befürchten, wenn nur erst der Rückfall des 
Elsasses an den Deutschen Bund gesichert war. Aber diese Entscheidung 
lag allein in der Hand der Großmächte, und nur zu bald zeigte sich in 
Paris, wie vor Kurzem in Wien, daß Humboldt's Traum vom „inter- 
mediären Europa“ ein leeres Phantasiegebilde war. England und Oester- 
reich, die er für Preußens natürliche Bundesgenossen ansah, verhielten 
sich gegen die deutschen Forderungen ebenso ablehnend wie Rußland und 
Frankreich. 
Am 6. August ließ sich Metternich zum ersten male vernehmen und 
erklärte feierlich, dieser Krieg sei gegen das bewaffnete Jacobinerthum geführt 
worden und dürfe nicht in einen Eroberungskrieg ausarten. Darum 
suchte er die Bürgschaften der europäischen Ruhe vornehmlich in einer ver- 
ständigen Ordnung der inneren Angelegenheiten Frankreichs und in einer 
vorübergehenden militärischen Besetzung; außerdem sollten die Festungen 
der vordersten Linie entweder an die Nachbarstaaten abgetreten „oder 
wenigstens geschleift werden“. Alsdann führte er näher aus, wie Deutsch- 
land nur der Festung Landau bedürfe, zum Ersatz für das zerstörte 
Philippsburg; im Uebrigen genüge es, wenn die Festungen im Elsaß ge- 
schleift würden und Straßburg nur seine Citadelle behielte. Den ge- 
wiegten Diplomaten des Viererausschusses mußte sofort einleuchten, daß 
jenes „oder wenigstens“, gleich beim Beginne der Verhandlungen ausge- 
sprochen, die wirkliche Meinung Metternich's kundgab; bei dem Systeme 
der Arrondirungspolitik, das er nun seit drei Jahren unbeirrt verfolgte, 
durfte er den Rückfall des Elsasses nicht wünschen. Nur die preußischen 
Staatsmänner, immer geneigt von dem österreichischen Freunde das Beste 
zu vermuthen, wollten den eigentlichen Sinn der k. k. Denkschrift nicht 
begreifen; sie bedauerten nur „die schwankende Haltung“ des Wiener 
Hofes, während die russischen wie die englischen Minister sofort erkannten, 
daß Oesterreich sich von der gemeinsamen Sache Deutschlands lossagte, 
und darum nur noch von „den preußischen Forderungen"“ sprachen. 
Auch auf England hoffte Hardenberg noch eine Zeit lang; war doch 
allbekannt, daß die Haltung Castlereagh's und Wellington's den Wünschen 
ihres Landes keineswegs entsprach. Die Londoner Presse forderte laut ent- 
schlossene Ausbeutung des Sieges; Castlereagh's Parteigenossen, die Torys, 
von jeher die entschiedensten Gegner Frankreichs, eiferten am lebhaftesten 
gegen jede falsche Großmuth. Lord Liverpool selbst schrieb im Namen
	        
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