Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

148 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
der beiden Großmächte bewegte sich stets in den verbindlichsten Formen, 
sie teilten sich sogar wechselseitig ihre Instruktionen mit.) Dabei zeigte 
sich freilich, wie weit die Absichten der beiden Höfe in zwei wesentlichen 
Fragen auseinandergingen. In der österreichischen Instruktion wurde die 
Bundesakte kurzab für heilig und unverletzlich erklärt; Hardenberg dagegen 
bedauerte lebhaft, daß es in Wien nicht gelungen sei dem Bunde „mehr 
die Natur eines Bundesstaates zuzueignen", und erbot sich zu jeder noch 
möglichen Reform. Und während Graf Buol den kleinen Gesandten, auf 
Metternichs Befehl, beteuerte, sein Hof werde sich in Bundesangelegen- 
heiten niemals auf Sonderverhandlungen einlassen, wiederholte der preu- 
Kische Staatskanzler seinem Wiener Freunde unablässig: nur durch unmittel- 
bare Verständigung zwischen OÖsterreich und Preußen könne der „Bund 
zur Konsistenz gelangen und der Parteigeist vernichtet werden“.“) 
Diese geheime Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden führenden 
Höfen ward zunächst noch wenig bemerkbar, da die Tätigkeit der Bundes- 
versammlung lange Zeit fast gänzlich in der Erledigung von Pensionsan-= 
sprüchen und anderen Privat-Angelegenheiten ausging. Eine Flut von 
Bitten und Beschwerden überschwemmte den Bundestag, alle die Unglück- 
lichen, welche die wilde Kriegszeit in ihren Rechten gekränkt hatte, suchten 
Hilfe in Frankfurt. Da kamen die Bischöfe und Geistlichen vom linken 
Rheinufer und forderten ihre Pensionen auf Grund des Reichsdeputations- 
hauptschlusses; desgleichen die Herren vom Deutschen Orden und die Mit- 
glieder der aufgelösten Domkapitel; alsdann die Advokaten und Prokura- 
toren des Reichskammergerichts; dann Joseph Fahrenkopf in Mainz, der 
im Jahre 1796 für die Reichsfestung Mainz unbezahlte Bauarbeiten ge- 
liefert hatte und mit ihm eine ganze Schar von Gläubigern der letzten 
Reichsoperationskasse, jener bösen Zahlerin, die während des Revolutions= 
krieges niemals aus der Geldnot herausgekommen war; dann die Be- 
sitzer der kurpfälzischen Obligationen Lit. D, eines berüchtigten Staats- 
papiers, über dessen Verzinsung Bayern und Baden, die Rechtsnachfolger 
von Kurpfalz, sich ein Menschenalter hindurch in grimmigen Noten stritten; 
und so weiter eine unendliche Reihe von Bittstellern, bis herab zu kleinen 
Handwerkern, denen ihre durchlauchtigen Landesherren die Bezahlung ihrer 
Schusterrechnungen hartnäckig vorenthielten. 
Mit löblichem Eifer nahm sich der Bundestag dieses Jammers an. 
Aber wie konnte eine Diplomatenversammlung alle die verwickelten Rechts- 
fragen, die sich hier ergaben, mit Sicherheit entscheiden? Ein Glück nur, 
daß sich mindestens einige tüchtige Juristen in ihren Reihen fanden, so 
namentlich der hannoversche Gesandte Martens, der bekannte Völkerrechts- 
lehrer. Dazu die immer wieder auftauchenden Zweifel an der Zuständigkeit 
der Bundesversammlung; sie hörten auch dann nicht auf, als die Ver- 
)) Osterreichische Instruktion v. 24. Oktober, Preußische v. 30. November 1816. 
"*) Metternich an Buol, 2. August. Hardenberg an Metternich, 30. Novbr. 1816.
	        
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