Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

180 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
dem Grafen Goltz mehrmals, den ehrlichen Patrioten schonend zu be— 
handeln, da er doch keinen ernsten Schaden stifte.) 
Die anderen Höfe dachten weniger vornehm. Als Gagern wiederholt 
an die verheißenen landständischen Verfassungen erinnerte, als er den 
empfindlichen neuen König von Württemberg durch scharfe Bemerkungen 
über den schwäbischen Verfassungskampf reizte und sich ihm unberufen zum 
Vermittler anbot,) als er gar von der kindlichen Unwissenheit der libe- 
ralen Presse wie ein Volkstribun verherrlicht wurde, da kam der treue 
Vorkämpfer des Föderalismus, der Lebensretter des Kleinfürstenstandes 
bald in den Geruch eines Jakobiners, und Metternich beschloß den ge- 
fährlichen Demagogen zu beseitigen. Ein Wink am niederländischen Hofe 
genügte. Der König der Niederlande befand sich seit kurzem in argem 
Gedränge; denn soeben war an den Tag gekommen, daß der ehrgeizige Prinz 
von Oranien, schwerlich ganz ohne Vorwissen seines königlichen Vaters, 
mit den französischen Flüchtlingen zu Brüssel eine revolutionäre Verschwö- 
rung gegen den Thron der Bourbonen angezettelt hatte. Um so bereit- 
williger ergriff der Monarch die Gelegenheit den großen Mächten seine kon- 
servative Gesinnung zu beweisen; unbedenklich ließ er den Staatsmann fallen, 
der so viel zur Bildung des neuen niederländischen Gesamtstaates beige- 
tragen hatte. Was frug er auch nach dem Bundestage und den Träumen 
deutscher Reichspatrioten? Im April 1818 ward Gagern abberufen und 
verabschiedete sich mit dem naiven Geständnis: der Grund meiner Ent- 
lassung „ist mehr eine zu hohe Würdigung von meiner Seite als ein Ver- 
schmähen meines Amtes“. An seiner Statt erschien Graf Grünne, ein 
Holländer, der die deutschen Dinge so gründlich kannte, daß er alles Ernstes 
vorschlug, Frankreich für das Elsaß mit in den Deutschen Bund aufzu- 
nehmen. An dem fand die Hofburg nichts auszusetzen. Also war jene 
Drohung Metternichs vom Dezember 1817 zum ersten Male in Erfüllung 
gegangen. Der Bundestag wußte nunmehr, daß jedem „aufwiegelnden“ 
Worte „die Abberufung des ungetreuen Gesandten“ auf dem Fufße folgte. 
Alsbald nach seinem Ausscheiden veröffentlichte Gagern in seiner un- 
wandelbaren Gutmütigkeit eine Schrift „Uber Deutschlands Zustand und 
Bundesverfassung“ — um die Deutschen mit ihrem Bundestage zu ver- 
söhnen. Als Motto stand darauf: Ut ameris amabilis estol! Die Nation 
aber nahm den vertrauensvollen Zuruf mit grimmigem Spotte auf. Selbst 
die Gemäßigten hatten sich längst voll Ekels von dem Gespensterspuk der 
Eschenheimer Gasse abgewendet; und schon kam die Zeit, da diesem treuen, 
gesetzliebenden Volke kein Hohn zu frech, kein Schimpfwort zu roh schien 
für die einzige Behörde, deren Name noch an Deutschlands Einheit er- 
innerte. — 
  
*) Weisungen an Goltz, 21. April, 12. Juli 1817. 
*“) Hatzfeldts Bericht, Haag 29. Nov. 1817.
	        
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