Der König und die Parteien. 183
für Volksvertretung und Preßfreiheit betrachtet wurde, und nahmen jetzt
den alten Parteistreit, der während des Krieges nie ganz geruht hatte, eine
Masse persönlichen Hasses und sachlicher Gegensätze als eine böse Erbschaft
in die Tage des Friedens hinüber. Aus diesen Kreisen drang Tadelsucht
und Klatscherei in alle Klassen der Gesellschaft; der Staat, der bei allen
Gebrechen seiner Unfertigkeit doch die beste und sparsamste Verwaltung
Europas besaß, ward in den Briefen und Gesprächen seiner eigenen treuen
Diener so maßlos gescholten, als eilte er, geleitet durch eine Rotte von
Betrügern und Toren, rettungslos dem Verderben entgegen.
Vier keineswegs klar geschiedene Parteien bekämpften einander innerhalb
der Regierung. Die alte Schule der absolutistischen Hofleute und Be—
amten zählte nur noch wenige Anhänger, doch sie gewann jetzt mächtige
Bundesgenossen an Hardenbergs alten Gegnern, den Feudalen, die in dem
Adel der Kurmark ihre Stütze, in Marwitz und dem vormaligen Minister
Voß-Buch ihre Führer fanden. Die jungen Beamten dagegen und fast
alle geheimen Räte der Ministerien bekannten sich zu dem bureaukratischen
Liberalismus Hardenbergs, was freilich nicht ausschloß, daß ihrer viele den
Staatskanzler persönlich heftig bekämpften. Wieder eines anderen Wegs
ging die kleine Schar der aristokratischen Reformer, die noch an Steins
Gedanken festhielten. Die Schwarmgeisterei der teutonischen Jugend fand
unter den gewiegten Geschäftsmännern des hohen Beamtentums zwar
manchen nachsichtigen Richter, doch keinen einzigen Anhänger. Gleichwohl
wirkte jener finstere Argwohn, welchen alle Höfe des In= und Auslandes
gegen Preußens Volk und Heer hegten, unausbleiblich auf Preußen selbst
zurück. Seit Schmalz seinen Unheilsruf erhoben hatte, nahmen die Ver-
leumdungen und giftigen Flüsterreden kein Ende. Nicht bloß Stein, der
erklärte Gönner Arndts, sondern auch der Staatskanzler selbst ward des
geheimen Einverständnisses mit den Deutschtümlern beschuldigt, obgleich
Hardenberg die jugendlichen Einheitsschwärmer als unbequeme Störer
seiner dualistischen Politik ansah und sie selbst in seinem verschwiegenen
Tagebuche immer nur mit ärgerlichem Tadel behandelte.
So scharfe Gegensätze in fester Zucht zu halten, war der schonenden
Gutherzigkeit König Friedrich Wilhelms nicht gegeben. Allzu rücksichtsvoll
gegen seine Räte ließ er den Parteikampf am Hofe lange gewähren und
fuhr nur zuweilen mit einer Mahnung dazwischen. Wurde eine neue Kraft
in die Regierung berufen, so pflegte man ein Ministerialdepartement in
zwei Teile zu zerlegen, nur um den alten Minister nicht zu kränken, der
oft ein Gegner des neuen war. Vollständige Ubereinstimmung unter den
Ministern galt noch für entbehrlich, da der Monarch am letzten Ende stets
nach seinem freien Ermessen entschied. Wie viele Stürme waren über
das Land dahingebraust in den kurzen zwei Jahrzehnten seit Friedrich
Wilhelm die Krone trug; den Rückschauenden war, als ob die Anfänge
seiner Regierung um mehrere Menschenalter zurücklägen. Das treue Volk