192 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates.
ziehen sah, und zahlreiche Gemeinden der Provinz dringend um Zurück—
nahme der Versetzung baten.)
Auch der feurige Patriot Justus Gruner, der bisher im Namen der
verbündeten Mächte das bergische Land verwaltet hatte, fand eine laue
Aufnahme, als er jetzt, durch Gneisenau lebhaft empfohlen, wieder in
den preußischen Staatsdienst einzutreten verlangte. Sonderbares Schick-
sal, daß gerade der Begründer der preußischen geheimen Polizei unter den
Berichten der geheimen Agenten am schwersten leiden mußte. In der
Hofburg galt er, neben Stein und Görres, als das Haupt der deutschen
Jakobiner. Im Sommer 1812 war er auf Metternichs Befehl nach Peter-
wardein auf die Festung gebracht worden, weil er von Prag aus eine Schild-
erhebung gegen Napoleon vorbereitete und mit Jahns „Deutschem Bunde“
insgeheim verkehrte.“) Erst im Oktober 1813 freigelassen, hatte er dann
als Gouverneur von Berg die Osterreicher und die Rheinbündner durch
die leidenschaftliche Sprache seiner Reden und Manifeste aufs neue er-
schreckt und bei dem Ausbruche des Krieges von 1815 gar einen geheimen
Bund gestiftet, der zwar niemals zu einer Tätigkeit gelangte und alsbald
nach dem Frieden wieder einging, aber schon durch seinen Wahlspruch
„Deutschlands Einheit unter Preußen!“ alle ängstlichen Gemüter mit
Entsetzen erfüllte. Nach alledem hielt es der Staatskanzler für unmöglich,
dem Vielverleumdeten ein einflußreiches Verwaltungsamt anzuvertrauen,
und Gruner wurde mit dem bescheidenen Gesandtschaftsposten in Bern
abgefunden. Alle diese Vorfälle berührten die öffentliche Meinung sehr
peinlich, zumal da sie fast gleichzeitig mit der Unterdrückung des Rheini-
schen Merkurs und bald nach dem Erscheinen der Schmalzischen Schrift
erfolgten. Die argwöhnische Welt suchte nach einem geheimen Zusammen-
hange, obgleich Gneisenau das Verbot des Görresschen Blattes ganz in
der Ordnung fand und Sack ein erklärter Gegner Gruners war. Die
Luft ward täglich schwüler. Derweil man bei Hofe von den geheimen
Umtrieben der Demagogen erzählte, klagten die Liberalen über den An-
bruch der Reaktion. —
Trotz dieser Reibungen innerhalb der Regierung ging die unschein-
bare und doch so folgenreiche Arbeit der Neuordnung der Verwaltung
stetig und sicher vorwärts. Sobald sich der Umfang der neugewonnenen
Landschaften einigermaßen übersehen ließ, genehmigte der König, noch in
Wien, am 30. April 1815 die Verordnung über die verbesserte Einrichtung
der Provinzialbehörden, welche das Staatsgebiet in zehn Provinzen und acht-
undzwanzig Regierungsbezirke einteilte. Zwei dieser Provinzen, Niederrhein
*) Kircheisen an Hardenberg, 5. Juni; Kabinettsordres an Sack, 15. Januar und
13. März; Sack an den König, 24. März, an Hardenberg, 24. März und 16. Mai 1816.
Mirbach an Hardenberg, 29. Novbr. 1815.
**) Gruner an Hardenberg, 27. Novbr. 1819.