Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

196 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
werden; die Stadt Herford erklärte dem Staatskanzler in einer pomp- 
haften Zuschrift: sie könne und werde keinem Kreise beitreten, sie besitze 
ein Recht auf „fernere Selbständigkeit und Immedialität“; nur unter 
diesem Vorbehalte habe Herford einst dem großen Kurfürsten gehuldigt. 
Die weitaus größten Schwierigkeiten bot doch die Neuordnung der vor- 
mals sächsischen Gebiete, welche ohnehin der neuen Landesherrschaft anfangs 
fast ebenso feindselig wie die Polen gegenüberstanden. Alles wehklagte über 
den Untergang der sächsischen Nation; in Naumburg riß der Pöbel die 
schwarzen Adler in den Kot, selbst die Ruhigen bezeichneten sich weh- 
mütig als Mußpreußen — ein Ausdruck, der in manchen Landstrichen 
noch viele Jahre im Schwange blieb. So lange die Erwerbung des ge- 
samten Königreichs Sachsen in Aussicht stand, hatte Hardenberg nur an 
eine Personal-Union zu denken gewagt. Jetzt, da man sich mit der Hälfte 
des Landes begnügen mußte, ergab sich sofort, daß diese Trümmer nicht 
einmal in einer Provinz zusammenbleiben konnten. Kaum die Anfänge 
der Staatseinheit, gleichmäßiger moderner Staatsordnung waren durch 
das schläfrige altständische Regiment Kursachsens geschaffen; die Lande, die 
man das Herzogtum Sachsen nannte, bestanden in Wahrheit aus sieben 
lose verbundenen Territorien: aus den Markgrafschaften Ober= und Nieder- 
lausitz, den beiden Stiftern Merseburg und Naumburg, dem Fürstentum 
Querfurt, der Grasschaft Henneberg und einem Stücke der sächsischen Erb- 
lande. Trotzdem baten die Vertreter des Adels, als im Herbst 1815 eine 
sächsische Deputation in Berlin erschien, „um Erhaltung der Integrität 
und Nationalität des Herzogtums Sachsen“; andere, darunter die Bürger- 
meister, verwahrten sich dawider und erklärten, sie hegten volles Zutrauen 
zu der bürgerfreundlichen Regierung Preußens.“) Zur selben Zeit sprachen 
die Niederlausitzer Stände für die Erhaltung ihrer Privilegien; die Stände 
der Oberlausitz aber verlangten, „daß die Provinz Lausitz mit keinem anderen 
Teile der Monarchie verbunden werde“: die beiden Lausitzen sollten ein 
selbständiges Gesamtreich bilden mit der Hauptstadt Görlitz-) 
Wie war es möglich, allen solchen partikularistischen Begehren, die ein- 
ander ins Gesicht schlugen, gerecht zu werden? Zudem lagen diese Land- 
schaften weithin zerstreut von Görlitz bis Langensalza, abgetrennt von ihrem 
natürlichen Mittelpunkte, dem Meißnerlande, das bei Sachsen geblieben 
war. Die Regierung beschloß daher nach längerem Schwanken, die weit 
nach Osten abgelegene Niederlausitz mit Brandenburg, die Oberlausitz mit 
Schlesien zu verbinden und vereinigte die übrigen Stücke des Herzogtums 
Sachsen mit der Altmark, dem Herzogtum Magdeburg und dem kurmainzi- 
schen Eichsfelde zu einer neuen Provinz. So kamen die vormals sächsischen 
Landesteile an drei Provinzen und sechs Regierungsbezirke. Was Wunder, 
—–.- — —— 
*) Eingabe der Stadt Herford an Hardenberg, 6. Novbr. 1816. 
**) Schuckmanns Bericht an Hardenberg, 15. Nov. 1815. 
*“*) Eingabe der Oberlausitzer Stände an den Staatskanzler, 28. Juni 1815.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.