Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

206 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. 
für die verderblichste aller Abgaben erklärt. Die Kommission griff daher 
die Konsumtionssteuern nachdrücklich an und tadelte vornehmlich, daß der 
Finanzminister nicht auch ein Gesetz über die direkten Abgaben vorgelegt 
habe; denn um eine gerechte Verteilung der Steuerlast zu finden, müsse 
zunächst die Ungleichheit der Grundsteuern beseitigt oder doch den einzelnen 
Provinzen angerechnet werden. Sie sprach damit nur aus, was die große 
Mehrzahl des Bürgertums wünschte. Die bunte Mannigfaltigkeit der 
Grundsteuern war eine alte Klage im Lande. An ihr zeigte sich auf das 
Grellste, wie mühsam dieser Staat aus einem Gewirr selbständiger Terri— 
torien emporgewachsen war; je strenger seine Könige den Gedanken der 
Staatseinheit in der oberen Verwaltung durchgeführt hatten, umso nach- 
sichtiger war auf dem flachen Lande das altständische Wesen geduldet worden. 
In der Monarchie bestanden 33 verschiedene, meist uralte Grundsteuer- 
verfassungen, in der Provinz Sachsen allein acht, deren jede wieder mannig- 
fache örtliche Verschiedenheiten und Privilegien aufwies. Ost= und West- 
preußen zahlten auf der Geviertmeile 639 Tlr. Grundsteuer, die Rhein- 
lande, allerdings auf weit wertvollerem Boden, 4969 Tlr. Kein Wunder, 
daß die Rheinländer über die Steuerfreiheit des Ostens laut murrten und 
auch Schlesien, das durch Friedrich II. ein Kataster erhalten hatte, sich 
gegen die anderen, nicht katastrierten, alten Provinzen benachteiligt glaubte. 
Und doch blieb eine Reform für jetzt noch unmöglich. Da die alte Grund- 
steuer im Verlaufe der Jahrhunderte den Charakter einer Rente ange- 
nommen hatte, so ließ sich die Ausgleichung nur nach Entschädigung der 
Befreiten durchführen. Und woher jetzt die Mittel dazu nehmen? woher 
die technischen Kräfte zur Katastrierung des gesamten Landes? Und war 
es billig, den Landadel, der in den östlichen Provinzen noch fast allein 
die Kosten der gutsherrlichen Polizei, der Patrimonialgerichte und des 
Kirchenpatronats trug, mit neuen Lasten zu beschweren in einem Augen- 
blicke, da er, durch harte patriotische Opfer erschöpft, sich kaum noch im 
Besitz seiner Güter zu behaupten vermochte? Von allen diesen ernsten Be- 
denken wollte Humboldt nichts hören; er begnügte sich mit einer schonungs- 
losen Kritik und schilderte die Ungleichheit der bestehenden Grundsteuern, 
die Gebrechen aller indirekten Abgaben nicht ohne doktrinäre Übertreibung. 
Auch von partikularistischen Hintergedanken war die Opposition nicht 
frei. In Sachsen, Posen und am Rhein hoffte das Volk auf eine Quoti- 
sierung der Steuern, dergestalt, daß die Stände jeder Provinz ihren An- 
teil an dem Staatsbedarfe nach eigenem Ermessen aufbringen und ver- 
teilen sollten. Dieser ungeheuerliche Vorschlag, der die Monarchie in einen 
lockeren Staatenbund zu verwandeln drohte, ward von mehreren Ober- 
präsidenten befürwortet, am eifrigsten von dem wackeren Grafen Solms- 
Laubach in Juülich— Cleve-Berg.)) Indes erlangte er im Staatsrate nicht 
— — —. — — — — — — 
*) Solms-Laubach, Denkschrift über das Abgabenwesen am Rhein, Januar 1817.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.