Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Fortschritte des Deutschtums am Rhein. 277 
des Landes, dem Königsforst und dem Frankenforst sprach. Von allen 
den hundertjährigen Eichen und Buchen stand keine einzige mehr; und 
was die Entwaldung der rauhen Höhen des Hunsrücks und der Eifel für 
das Klima und den Bodenbau bedeutete, das lernte man erst jetzt mit 
Schrecken kennen, wenn plötzlich nach einem Gewitter die Gießbäche vom 
Gebirg ins Moseltal herunterstürzten und in wenigen Augenblicken die 
Fruchterde hinwegschwemmten, welche der arme Winzer in monatelanger 
Arbeit die steilen Schieferfelsen hinauf getragen. Und welche Massen 
von Raubzeug hatte die lässige Jägerei der Welschen aufwachsen lassen. 
Dicht hinter Bonn, im Kottenforst schoß man noch Wölfe; noch 1817 
wurden ihrer 159 im Regierungsbezirk Trier erlegt. Der erste deutsche 
Forstmann jener Tage, Landforstmeister Hartig, kam selber von Berlin 
herüber; er hatte sich einst, in den Zeiten der großen Domänenverkäufe, 
ein bleibendes Verdienst um die alten Provinzen erworben, als er durch- 
setzte, daß die Wälder nicht mit veräußert wurden. Hier im Westen ver- 
suchte er zu retten was noch zu retten war; manche Aufforstung ward be- 
gonnen, eine strenge Forstpolizei eingeführt, die unter den Bauern viel 
Groll erregte; aber wer konnte den Winden wehren, die über das kahle 
Schiffelland der Eifel strichen? Die ungeheure Verwüstung war nie wieder 
ganz zu heilen. 
Bessere Früchte trug die Umgestaltung des Unterrichtswesens. Als 
die Preußen einzogen, fand Joh. Schulze die Schule „"ruchlos vernach- 
lässigt“.) Da der französische Staat den Volksschulen niemals eine Unter- 
stützung gewährte, so besaß mehr als ein Drittel der Gemeinden gar keine 
Schule, viele Bauernschaften meinten genug zu tun, wenn sie einem Wan- 
derlehrer im Winter vier Monate lang einen Platz auf einer Tenne ein- 
räumten. Drei Fünftel der Kinder wuchsen ohne jeden Unterricht auf. 
Auch die niederen Lehranstalten der Städte erhoben sich selten über die 
Leistungen jener berufenen altbischöflichen Schulen, welche den bezeichnenden 
Namen Silentium führten; nur da und dort hatte ein tapferer Pädagog, 
wie der Kreuznacher Rektor Weinmann, in schwerem Kampfe mit den 
französischen Behörden, deutschen Geist unter seinen Schülern wach er- 
halten. Welch eine Arbeit, bis hier der preußische Grundsatz der allge- 
meinen Schulpflicht zur Wahrheit wurde. Die Wohltat kam vor allen 
den Katholiken zugute, deren Schulen am tiefsten darniederlagen; aber 
die neuen Lehrer aus dem Seminar zu Trier hatten oft einen harten 
Stand, da viele der rheinischen Pfarrer einst Mönche gewesen und den 
Anschauungen des Klosters nicht entwachsen waren. 
Unhemmbar flutete der Strom deutscher Bildung wieder über das be- 
freite Grenzland herein. Bis vor kurzem war das gesamte Rheinland, 
selbst das rechte Ufer, für den deutschen Buchhandel noch ein totes Gebiet, 
  
*) J. Schulze, Denkschrift über die Kirche und Schule am Rhein, 31. Dez. 1816.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.