König Wilhelm. 319
tragen?“ Seitdem entspann sich zwischen dem schwäbischen Thronfolger
und dem Prinzen von Oranien ein geheimer Verkehr, zur lebhaften Be—
unruhigung der konservativen Höfe; man wußte, daß beide Prinzen in
radikalen Plänen schwelgten und der Württemberger sich lebhaft geschmeichelt
fühlte wenn ihn da und dort ein Politiker der Bierbank als den künftigen
deutschen Kaiser feierte. Obwohl der eine wie der andere im Grunde
der Seele die neuen liberalen Ideen geringschätzte, so erhofften doch beide
als machiavellistische Politiker von einem großen Umsturz ein unbestimmtes
Glück für sich selber. Wo der Ehrgeiz ins Spiel kam, da hielt die
Nüchternheit des Prinzen Wilhelm nicht mehr Stand, und die luftigsten
Phantasiegebilde erschienen ihm möglich. Jahrelang brütete er über dem
Gedanken eines deutschen Südbundes, und doch hatte er selber alles ge—
tan, um diesen Triasplänen jeden Boden zu entziehen. Denn hoch-
mütig gegen den badischen Hof, war er mit dem bayrischen tief verfeindet.
Der Haß des gestrengen Friedrich gegen den gutmütigen Max Joseph
vererbte sich auf die Söhne. Die phantastische Uberschwänglichkeit des
bayrischen Kronprinzen Ludwig war dem trockenen, verschlossenen Wesen
des Prinzen Wilhelm unausstehlich; die Freundschaft ward auch nicht
inniger als beide zugleich um die Hand Katharinas warben und der
Wittelsbacher den Kürzeren zog.
Die lautere patriotische Begeisterung der Befreiungskriege ließ diesen
engherzigen Charakter kalt. Dynastischer Dünkel und persönliche Herrsch-
sucht bestimmten seine deutsche Politik; wie er Napoleon haßte, weil ihm
die Herrschaft des Fremdlings über das Haus Württemberg schimpflich
schien, so wollte er auch sein souveränes Haus keiner mächtigen deutschen
Zentralgewalt unterordnen, es sei denn, daß ihm selber die Leitung
Deutschlands zufiele, und selbst der gutmütige Küster erriet, daß der
Kronprinz im Herzen ganz ebenso partikularistisch denke wie sein Vater.“)
Mit den beiden führenden Mächten des Deutschen Bundes stand er von
Haus aus auf schlechtem Fuße. Die Politik des Dualismus lief seinen
Triasplänen schnurstracks zuwider; auch konnte er nach seiner kleinlich
reizbaren Art ein Gefühl persönlicher Empfindlichkeit gegen die beiden
Monarchen nicht unterdrücken. Bald nach seiner Thronbesteigung ließ
er dem König von Preußen die Hand einer württembergischen Prinzessin
für den jungen Kronprinzen anbieten und empfing die gelassene Antwort,
Friedrich Wilhelm wolle den Neigungen seiner Kinder keinen Zwang an-
tun.) Das verzieh er nie. Kaiser Franz aber erwählte sich um die
nämliche Zeit die geschiedene Gemahlin des Württembergers für seine
vierte Ehe; seitdem wuchs sein altes Mißtrauen gegen den unberechen-
baren Pläneschmied in Stuttgart und ward von drüben herzlich erwidert.
*) Küsters Berichte, 24. Okt., 11. Nov. 1815.
**) Küster an Hardenberg, Stuttgart 18. Januar; Weisung des Staatskanzlers,
24. Februar 1817.