Schwaben und Franken. 329
ihre alten protestantischen Traditionen; da ihre Universität Altdorf durch
den neuen Landesherrn geschlossen wurde, so sollte mindestens das Nürn—
berger Gymnasium den Geist seines Stifters Melanchthon treu bewahren
und gleich der nahen brandenburgischen Hochschule Erlangen eine Pflanz—
stätte evangelischer Bildung in dem neuen paritätischen Staate bleiben.
Diese rührige kleine Universität hatte mit der literarischen Bewegung des
Nordens immer rüstig Schritt gehalten und ihre treue deutsche Gesin—
nung auch unter dem Lärm der französischen Waffen nie verleugnet.
Das gesamte brandenburgische Frankenland dachte noch immer mit
Sehnsucht an das kurze Glück der preußischen Herrschaft. In Ansbach
konnte sich das bayrische Regiment erst dann befestigen, als auch Bayreuth
mit Bayern vereinigt war; und auch dann noch wollte das treue Volk
die Hoffnung auf die Wiedervereinigung nicht aufgeben. Als König
Friedrich Wilhelm seine Preußen endlich zu den Fahnen rief, standen
auch die Franken des Fichtelgebirges bereit zum Kampfe, und nur die
Ungunst des Kriegsglücks verhinderte den Aufstand.
Die katholischen Nachbarn in den reichen fränkischen Bischofslanden
hatten so teuere Erinnerungen nicht zu überwinden; die Würzburger be—
grüßten sogar mit Freude die Abreise ihres Großherzogs Ferdinand von
Toskana, der sein deutsches Land als ein unsicheres Besitztum immer ver—
nachlässigt hatte. Aber die bayrische Herrschaft ward auch hier ungern auf—
genommen. Froh seiner Weinknochen sah der aufgeweckte, witzige Main—
franke aus der heiteren Anmut seines halbrheinischen Lebens verächtlich
auf das derbe Bajuvarentum herab; die Reichsritterschaft fühlte sich
entwürdigt, sie wollte höchstens einem Habsburger gehorchen. Indes gelang
es der klugen Milde des Generalkommissärs Lerchenfeld die Murrenden
zu beschwichtigen. Die Krone wußte, daß sie das unschätzbare Tyrol, dies
altbayrische, mit seinem gesamten Verkehr auf Bayern angewiesene Land,
allein durch die zufahrende Roheit ihrer Beamten verloren hatte, und
verfuhr daher jetzt bei der Besitznahme neuer Gebiete sehr behutsam.
Am behutsamsten in ihrer jüngsten Provinz, der überrheinischen
Pfalz; denn hier begegnete ihr ein tiefer Widerwille, der noch länger
anhielt als die Abneigung der Rheinländer gegen die Altpreußen. Seit
den fernen Zeiten, da die Salier und die Staufer auf der Limburg
und dem Trifels Hof hielten, war in dieser gefährdeten Mark niemals
wieder eine kräftige Staatsgewalt erstanden. Speyer und Worms, Sickingen
und Leiningen, Nassau, Baden, Hessen und Wittelsbach hausten hier neben
einander, allesamt beseelt von jener freundnachbarlichen Gesinnung, die
sich in den Namen der Grenztürme „Murr' mir nicht viel“ und „Kehr'
dich nicht dran“ bekundete. Der Spielball zweier feindlicher Nationen
hatte das anstellige, unermüdlich betriebsame Volk den Unsegen kleinfürst—
licher Willkür, wiederholter Religionsverfolgungen, gräßlicher Verwüstungen
mit erstaunlicher Lebenskraft überstanden und erst unter den Präfekten