334 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe.
trauen und empfingen ihn, als er nach der Hanauer Schlacht in Frank—
furt erschien, so unfreundlich, daß er nachher selber Bedenken trug per—
sönlich auf dem Wiener Kongresse zu erscheinen. Aber er verwaltete noch
immer die drei wichtigsten Ministerien, das Auswärtige, das Innere, die
Finanzen, und durfte wohl auf seine Unentbehrlichkeit trotzen; denn nicht
umsonst führte er die Königskrone in seinem Grafenwappen. Er war
der Schöpfer des neuen bayrischen Staates; seit dem Kurfürsten Moritz
von Sachsen hatte die Politik des nackten folgerechten Partikularismus
auf deutschem Boden nicht mehr einen so klugen und glücklichen Vertreter
gefunden. Obwohl er dem altbayrischen Lande durch die Geburt ange—
hörte, zählte Montgelas doch zu jenen diplomatischen Landsknechten, die
in der Geschichte der deutschen Mittelstaaten so häufig auftauchen, zu jenen
Heimatlosen, die aller politischen Traditionen ledig die Stätte ihres
Schaffens überall suchen wo sich dem Ehrgeiz ein freies Feld bietet. Die
Freundschaft für den König, dem er schon in der Pfalz nahe getreten
war, bildete das einzige gemütliche Band, das ihn an seine Heimat
kettete; Land und Leute blieben ihm verächtlich. Er verzieh es nie, daß
er in seiner Jugend als Mitglied des Illuminatenordens das gläubige
Bayernland hatte verlassen müssen, und urteilte noch im Alter über cette
nation bornée mit der schneidenden Lieblosigkeit des Fremdlings. Aber
die Laune des Glücks hatte ihn in das ungeliebte Land zurückgeführt, ein
reicher Wirkungskreis tat sich ihm auf; im Bewußtsein seiner Kraft hielt
er sich berufen diesen Staat zu der Stellung einer selbständigen europäi-
schen Macht emporzuheben. Die Macht war ihm Selbstzweck, und nichts
lag ihm ferner als die Frage, wie sie zum Heile Deutschlands zu ver-
werten sei; was irgend an die Gemeinschaft des großen Vaterlandes er-
innerte, erschien ihm nur als eine lästige Fessel für die Selbständigkeit
Bayerns. Ein kaltblütiger Spieler, durch sittliche Bedenken niemals, durch
Haß und Liebe selten beirrt, rechnete er unbefangen mit der Gunst des
Augenblicks und nahm die Freunde wo er sie fand. Sein getreuer Ritter
Lang schilderte, als er im Jahre 1814 den Minister wider die leiden-
schaftlichen Angriffe der Freunde Steins verteidigen mußte, die Herzens-
geheimnisse dieser ideenlosen Schlauheit also: „die einzige echte Maxime
der bayrischen Politik ist die Selbsterhaltung des Staats; diejenige äußere
Macht, welche dieses Prinzip anerkennt und mit ihrer eigenen Macht
verstärkt, ist als die wahrhaft befreundete zu halten."“
Darum stand Montgelas, trotz seines halbfranzösischen Blutes und
trotz seiner durchaus französischen Bildung dem Protektor des Rhein-
bunds freier, fester gegenüber als der König. Nicht aus Vorliebe für
Frankreich hatte er einst das alte Bündnis mit Preußen aufgegeben, son-
dern weil er einsah, daß die bayrische Vergrößerungslust vorläufig von
Preußens Schwäche nichts, von Bonapartes Tatkraft alles erwarten
konnte. An den Kriegen Napoleons gegen Osterreich und Preußen nahm