342 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe.
das Andenken der alten ständischen Freiheit wieder zu beleben; er erwarb
sich nur den Dank der Wissenschaft, auf die politische Stimmung des
Landes wirkte sein Buch nicht ein. —
Unterdessen richtete Montgelas seine Aufmerksamkeit vornehmlich auf
die Verhandlungen mit dem römischen Stuhle, eine Unterhandlung, die für
das gesamte Deutschland folgenreich werden und auch auf die bayrische
Verfassungsarbeit ganz unerwartet zurückwirken sollte. Trotz ihrer streng
römischen Gesinnung hatten die alten Wittelsbacher doch jederzeit, gleich
den Allerchristlichsten Königen Frankreichs, die Kirchenhoheit ihres Staates
kräftig behauptet. Die Bildung einer bayrischen Landeskirche — so weit
dies unbeschadet der katholischen Glaubenseinheit möglich war — blieb
durch Jahrhunderte das Ziel der wittelsbachischen Kirchenpolitik; zu der—
selben Zeit, da Bayern die Protestanten austrieb, ward in München der
Geistliche Rat eingesetzt, eine vom Landesherrn ernannte oberste Kirchen—
behörde, ähnlich den Konsistorien der Lutheraner. Sobald der Reichs-
deputationshauptschluß die benachbarten reichsunmittelbaren Bischöfe, die
alten Gegner des landesfürstlichen Kirchenregiments, der bayrischen Landes-
hoheit unterworfen hatte, nahm der Münchener Hof jene altwittelsbachi-
schen Pläne mit neuem Eifer auf. Er traute sich's zu, mit dem Papst
ein ebenso vorteilhaftes Konkordat abzuschließen, wie kurz zuvor der erste
Konsul, und hoffte auf die Errichtung von Landesbistümern, deren
Grenzen mit denen des Staatsgebiets zusammenfallen sollten. Bald genug
mußte er erfahren, wie unerschütterlich der heilige Stuhl selbst in jenen
Tagen seiner Demütigung die alten herrischen Grundsätze festhielt. Der
päpstliche Unterhändler Kardinal della Genga, derselbe, der späterhin als
Leo XII. den Thron bestieg, forderte nichts Geringeres als die Rückkehr
zu dem alten Systeme der Glaubenseinheit: die Gleichberechtigung der
Protestanten, die Anerkennung der gemischten Ehen, die Aufsicht des Staates
über die Schulen, alle die segensreichen Reformen, auf denen die Rechts-
ordnung des paritätischen neuen Königreichs ruhte, sollten wieder ver-
schwinden. Im Jahre 1809 wurden die Verhandlungen abgebrochen.
Gleichwohl gab man in München die Hoffnung nicht auf: wie konnte die
Kurie einem Hofe widerstehen, der sich so gern rühmte nach Osterreich
die erste katholische Macht in Deutschland zu sein? Als der Fürstprimas
Dalberg in jenen rheinbündischen Tagen unermüdlich luftige Pläne für eine
deutsche oder rheinbündische Nationalkirche entwarf, fand er an Montgelas
seinen entschiedensten Gegner. Auch auf dem Wiener Kongresse bewährte
Bayern seine stolze Selbstgenügsamkeit und erlangte, daß die kirchlichen
Angelegenheiten der Kompetenz des Deutschen Bundes entzogen wurden.
Eine Anderung dieses entscheidenden Beschlusses war, bei der
Schwäche der neuen Bundesgewalt, weder erreichbar noch wünschenswert-
denn wer mochte die schwierigen Unterhandlungen mit der Kurie diesem
Bundestage anvertrauen? Der Partikularismus hatte auch in dieser Frage,