Dalberg und Wessenberg. 345
seine Huldigung darbrachte. Der Entthronte zog sich sodann in sein
Bistum Regensburg zurück und verbrachte dort noch die zwei Jahre
bis zu seinem Tode (Febr. 1817) in apostolischer Einfachheit, ganz den
Pflichten des geistlichen Amts und der christlichen Barmherzigkeit dahin—
gegeben. Manchen politischen Gegner versöhnte der heitere Gleichmut
des freundlichen Alten; die eigentümliche Anmut dieses aus Begeisterung,
Eitelkeit und Zagheit so seltsam gemischten Geistes erschien am Abend seines
Lebens fast noch unwiderstehlicher als vor Jahren, da Schiller und
W. Humboldt sich seines Umgangs gefreut hatten. Aber mit seiner
Landeshoheit war auch sein Primat unrettbar verloren; einem bayrischen
Untertan und Landesbischof wollte kein deutscher Staat die Rechte eines
deutschen Oberhirten zugestehen, am wenigsten Preußen, das den rhein-
bündischen Primas-Titel ohnehin nicht für rechtsgültig ansah. Daher
fand Wessenberg fast überall kühle Aufnahme, als er im Jahre 1815
einige Höfe bereiste und die Diplomaten in Frankfurt für seine national-
kirchlichen Pläne zu gewinnen suchte. Noch nicht entmutigt forderte er
im Dezember die deutschen Regierungen auf, sich vor Beginn der rö-
mischen Verhandlungen mindestens über gemeinsame Grundsätze zu ver-
einigen und den Bundestag als obersten Richter in allen Streitfragen
zwischen Staat und Kirche anzuerkennen. Dem Vetter Metternichs und
Bruder des k. k. Geheimen Rates Wessenberg mochte es wohl unbedenk-
lich erscheinen, wenn die Angelegenheiten preußischer Bischöfe der Mit-
entscheidung des Kaisers von Osterreich anheimgegeben würden. In
Berlin dachte man anders.
Am unfreundlichsten aber wurde Wessenberg in München aufge-
nommen: Bayern sei sich selbst genug, hieß es hier kurzab, und werde
keinen weiteren Eingriff in seine Souveränität dulden. Montgelas war
bei seinen kirchenpolitischen Neuerungen in dem bigotten altbayrischen
Volke nur schwachem Widerstande begegnet und schloß daraus mit dem
Hochmute des glaubenlosen Weltkindes, daß auch die römische Kirche
wenig Lebenskraft mehr besitze. Die Hoffart der Aufklärung verleitete
den klugen Mann zu einem Irrtum, der allerdings von den meisten
Staatsmännern jener Zeit geteilt wurde, aber diesem geharnischten
Vertreter der Staatsallmacht am übelsten anstand. Er hoffte von dem
Papste nicht bloß eine Zirkumskriptionsbulle zu erlangen, welche die
Grenzen der neuen bayrischen Landesbistümer feststellen sollte. Er hielt
es auch für unbedenklich, das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Kirche
durch ein Konkordat vertragsmäßig zu ordnen und erkannte nicht, wie schwer
die Souveränität des Staates schon durch den Abschluß eines Konkordats
gefährdet wird; denn jeder Staat ist befugt den Umfang seiner eigenen
Hoheitsrechte selbst zu bestimmen und kann sich dies unveränßerliche
Recht nicht durch Verträge mit auswärtigen Mächten schmälern lassen,
am wenigsten durch einen Vertrag mit der Kurie, die von jeher alle Zu-