Siebenter Abschnitt.
Die Burschenschaft.
Zu allen Zeiten hat die Jugend radikaler gedacht als das Alter,
weil sie mehr in der Zukunft als in der Gegenwart lebt und die Mächte
des Beharrens in der historischen Welt noch wenig zu würdigen weiß.
Es bleibt aber immer ein Zeichen krankhafter Zustände, wenn die Kluft
zwischen den Gedanken der Alten und der Jungen sich allzusehr er-
weitert und die schwärmende Begeisterung der Jünglinge mit der nüch-
ternen Tätigkeit der Männer gar nichts mehr gemein hat. Ein solcher
innerer Zwiespalt begann sich nach dem Frieden in Norddeutschland zu
zeigen. Die jungen Männer, die im Waffenschmucke den Anbruch ihres
eigenen bewußten Lebens und den Anbruch ihres Vaterlandes zugleich ge-
nossen oder auf der Schulbank klopfenden Herzens die Kunde von den
Wundern des heiligen Krieges vernommen hatten, waren noch trunken
von den Erinnerungen jener einzigen Tage; sie führten den Kampf gegen
das Welschtum und die Zwingherrschaft im Geiste weiter und fühlten
sich wie verraten und verkauft, da nun die Prosa der stillen Friedens-
arbeit von neuem begann. Wie sollten sie verstehen, welche quälenden
wirtschaftlichen Sorgen den älteren die Seele belasteten? In alten
Zeiten — so etwa lautete die summarische Geschichtsphilosophie des jungen
Volks — in den Tagen der Völkerwanderung und des Kaisertums war
Deutschland das Herrenland der Erde gewesen; dann waren die langen
Jahrhunderte der Ohnmacht und der Knechtschaft, der Verbildung und
Verwelschung hereingebrochen, bis endlich Lützows wilde verwegene Jagd
durch die germanischen Wälder brauste und die heiligen Scharen der streit-
baren Jugend das deutsche Volk sich selber zurückgaben. Und was war
der Dank? Statt der Einheit des Vaterlandes entstand „das deutsche
Bunt", wie Vater Jahn zu sagen pflegte; die Alten aber, denen der Hel-
denmut der Jungen das fremde Joch vom Nacken genommen, versanken
wieder in das Philistertum, saßen am Schreibtisch und in der Werkstatt
als sei nichts geschehen.