Verzögerung der Verfassungsarbeit. 457
Petition gewährte, aber alle Aufforderungen zu gemeinsamen Bitten
streng untersagte, am wenigsten in dieser gärenden neuen Provinz über—
treten sehen. Darum erteilte er, obgleich Hardenberg dringend abriet,
der Koblenzer Regierung einen scharfen Verweis und erwiderte den Un—
terzeichnern der Adresse in einer ungnädigen Kabinettsordre, daß er sich
allein den Zeitpunkt für die Ausführung seiner Zusage vorbehalte. Die
Hatzenporter wurden wegen ihrer gesetzlichen Gesinnung belobt und blieben
fortan viele Jahre lang als Rheinlands Abderiten das Stichblatt für
die Witze ihrer Landsleute.“) Erst durch diese Beweise des königlichen
Unwillens erhielt der törichte Mummenschanz der Koblenzer Deputation
eine Bedeutung, die ihm keineswegs zukam. Die ganze Provinz murrte
über die Härte des Königs, obwohl die konstitutionelle Partei unter den
Rheinländern in Wahrheit erst sehr wenig überzeugte Anhänger zählte.
Hardenberg erriet sogleich, daß der Zorn des gütigen Monarchen offen—
bar durch boshafte Einflüsterungen veranlaßt war; er hegte Argwohn
gegen Ancillon und den Herzog Karl von Mecklenburg, doch den schlauesten
und gefährlichsten seiner Feinde, den Fürsten Wittgenstein durchschaute
er noch immer nicht und forderte ihn sogar vertrauensvoll auf, die Ver—
stimmung des Hofes beschwichtigen zu helfen. Um den König ganz zu
versöhnen kehrte er selbst schon zu Anfang April, früher als er gedacht,
nach Berlin zurück und ließ zum Abschied ein „Deutsches Wort aus
Preußen an die Rheinländer“ drucken — eine von seinem Vertrauten
Koreff entworfene und von ihm selber durchgesehene Flugschrift, die dem
rheinischen Volke neben freundlichen Zusicherungen auch einige wohlver—
diente Lehren gab: die Rheinländer, hieß es da, sollten doch nicht ver—
gessen, daß sie selber zur Abschüttelung des fremden Joches keinen Finger
geregt hätten und ihre Freiheit, ihr wieder gesichertes deutsches Leben
allein dem preußischen Staate verdankten. Seinen Briefwechsel mit
Görres brach der Staatskanzler ab, denn „cela mettrait du louche
dans ma marche“. Alles was den Argwohn des Königs erregte, wollte
er aus dem Wege räumen, um nur seinen Hauptzweck, den Abschluß der
Verfassung zu erreichen.“)
Die Verzögerung der großen Entscheidung ward mit jedem Tage
peinlicher empfunden. Von allen Seiten liefen Mahnungen ein. Die
märkische Ritterschaft forderte nochmals, wie so oft schon, die Verein—
barung des neuen Grundgesetzes mit den alten Ständen und ward vom
Könige auf die Beratungen des Staatsrats verwiesen. Die Merse—
burger Regierung dagegen bat um schleunige Einrichtung mindestens der
Kreistage; sonst könne man den herrschsüchtigen Ansprüchen der alten
Stände, die das Volk hasse, nicht widerstehen. Selbst die sonst so stillen
*) Zwei Kabinettsordres vom 21. März 1818.
**) Hardenbergs Tagebuch, 1. 7. 12. März, 26. April 1818.