Die Kattenkrone. 479
Unter den mannigfachen Streitfragen, welche der Kongreß in wenigen
Wochen angestrengter Arbeit entschied, befanden sich natürlich auch viele
deutsche Angelegenheiten. Manche dieser deutschen Händel gehörten von
Rechts wegen vor das Tribunal des Vierbundes, weil sie in den europäischen
Verträgen der Kriegsjahre ihren Ursprung hatten, manche andere wurden
nur durch die unausrottbare vaterlandslose Gesinnung deutscher Klein-
fürsten vor den Kongreß gebracht. Preußen aber und, durch dies Vor-
gehen gezwungen, auch Osterreich wahrten ehrenhaft die Unabhängig-
keit des Deutschen Bundes; sie gestatteten dem Vierbunde eine Einmischung
in deutsche Streitigkeiten nur dann, wenn sie auf Grund der Verträge
rechtlich unabweisbar war. Gleich zum Beginn erschien ein kurhessischer
Agent um den drei Monarchen eigenhändige Briefe des Kurfürsten zu
überreichen und den Ministern der beiden anderen Großmächte mündlich
mitzuteilen: sein Souverän denke den Namen eines Königs der Katten
anzunehmen, er erbitte sich in Demut die Anerkennung Europas. Der Kur-
fürst hatte bereits in Kassel den Bau einer Kattenburg begonnen, welche der
neuen Kattenkrone zum Herrschersitze dienen sollte, und hielt die Kosten
dieses riesigen, nie vollendeten Bauwerks vor seinem unglücklichen Länd-
chen sorgfältig geheim. Doch gleichzeitig traf ein geharnischter Protest aus
Darmstadt ein: sollte der Kurfürst den Königstitel erlangen, dann bean-
spruchte sein Vetter für sich die gleiche Würde. Die Mächte wiesen das
Ansinnen kurz und scharf zurück, „da die Bitte S. K. Hoheit durch keinen
irgend genügenden Grund gerechtfertigt sei". Der tief gekränkte Hesse
aber hielt es für schimpflich, dem Vorbilde des verständigen Karl Friedrich
von Baden zu folgen, den jetzt völlig sinnlosen Kurfürstentitel gegen den
großherzoglichen Titel zu vertauschen; er behielt den alten Namen bei und
weil die Deutschen über die verunglückte Kattenkrone nichts erfuhren, so
fanden sich der guten Seelen genug, welche den Kurfürsten darum be-
wunderten, daß er eine so rührende Pietät für die ehrwürdigen Erinne-
rungen des heiligen Reichs zeigte.)
Die schroffe Form der Abfertigung war durch Preußen veranlaßt,
da König Friedrich Wilhelm sich durch die Mißregierung des Kurfürsten
in seiner persönlichen Ehre verletzt fühlte. Der Kurfürst hatte während
des Krieges sein Land durch einen Vertrag mit den vier Mächten wieder-
geschenkt erhalten, die Verbündeten hatten ihm dabei leider keine förmliche
Verpflichtung auferlegt, aber allesamt als selbstverständlich angenommen,
daß er die Grundsätze des Völkerrechts nicht geradezu mit Füßen treten
würde. Und nun die schändliche Betrügerei gegen die westfälischen Do-
mänenkäufer! Dem Könige war zu Mute, als ob er für einen Gauner
eine Bürgschaft übernommen hätte; schon unterwegs in Hanau war er von
*) Separat-Protokoll über Kurhessen, 11. Okt. Hardenbergs Weisung an den
Gesandten v. Hänlein in Kassel, 14. Okt. 1818.