Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Metternich über die preußische Verfassung. 489 
Aachen, sagte der österreichische Staatsmann späterhin, wird man dereinst 
die Rettung der preußischen Monarchie datieren! 
Unter allem was aus Metternichs Feder floß beweist die Denk— 
schrift über die preußische Verfassung wohl am deutlichsten die klägliche 
Gedankenarmut dieses Kopfes, der nur durch seine diplomatische Schlau— 
heit, durch die Gunst des Glücks und durch die Ängstlichkeit der anderen 
Höfe dahin gelangen konnte, die Welt während eines Menschenalters 
über seine Nichtigkeit zu täuschen. Von der fundamentalen Verschiedenheit 
der politischen Aufgaben eines nationalen Staates wie Preußen und eines 
Völkergemisches wie Osterreich begriff er nicht das Mindeste. Mit der 
Treuherzigkeit eines besorgten Freundes, der sein Schicksal nimmermehr 
von dem Lose Preußens trennen wollte, setzte er dem Könige ausein- 
ander, daß die innere Lage der beiden deutschen Großmächte im wesent- 
lichen dieselbe sei; beide Monarchien beständen aus „unter sich getrennten 
Provinzen". Daß dem nicht so war, daß Preußen schon längst eine 
zentralisierte Verwaltung besaß, war der Hofburg ganz unbekannt; sie 
konnte sich einen kräftigen Staat nur in der Form lose verbundener 
Erblande vorstellen, und Kaiser Franz wiederholte gern seinen Kern- 
satz: „der Bestand einer Monarchie aus verschiedenen Körpern macht sie 
eben stark“". 
Metternich fand „das österreichische Reich selbst noch mehr als das 
preußische zu einem rein repräsentativen System geeignet — wenn nicht 
die Verschiedenheit unter den Völkern in Rücksicht auf Sprache und Sitte 
zu bedeutend wäre. Wie könnte das, wozu es in Osterreich dennoch 
an der Möglichkeit der Ausführung fehlt, in Preußen gedeihen?“ Die 
Einführung einer „Zentral-Repräsentation“ in Preußen wäre demnach 
die „reine Revolution“; sie müßte die militärische Kraft des Staates zer- 
stören und den Zerfall des Reichs herbeiführen; sei doch bereits zwischen 
Belgien und Holland, die soviel besser zusammenpaßten als die preußi- 
schen Provinzen, infolge des Repräsentativsystems ein gefährliches Zer- 
würfnis entstanden! Darum möge sich der König mit Provinzialständen 
begnügen — ein Ratschlag, der unzweifelhaft im voraus mit Wittgen- 
stein verabredet war — und diesen Ständen lediglich das Recht der Bitten, 
der Beschwerden, der Repartition der direkten Steuern einräumen. Nur 
im äußersten Falle, weil es einmal öffentlich versprochen sei, könne in 
der Zukunft vielleicht noch eine Zentraldeputation aus diesen Provinzial- 
ständen einberufen werden, je drei Vertreter aus jeder Provinz — also 
ein Vereinigter Landtag von einundzwanzig Köpfen, ein würdiges Seiten- 
stück zu jenem winzigen Reichsrate, welchen Metternich kurz zuvor für 
sein Osterreich vorgeschlagen hatte. Aber, so fügte er bedeutsam hinzu, 
und hierin lag unzweifelhaft seine wahre Meinung — „pführt diese be- 
schränktere Idee nicht auch zur Revolution? Diese Frage erwäge der König 
tief bevor er sich entscheidet!“
	        
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