554 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
zur Rückkehr zu einem, dem Bunde mehr angemessenen Verhältnis be—
hilflich zu sein“ und deshalb zunächst die Anträge dieser Regierungen selbst
abzuwarten.
Den zweiten Gegenstand der Karlsbader Beratungen sollte die Presse
bilden. Die beiden Großmächte vereinigten sich über die Grundsätze einer
Gentzischen Denkschrift, die mit grellen Farben schilderte, wie bei der Gleich—
heit der Kultur und dem vielfältigen Verkehre der Deutschen kein einzelner
Staat sich vor Ansteckung schützen könne und mithin jeder Fürst, welcher
den Preß-Unfug in seinem Lande dulde, Hochverrat gegen den Bund begehe.
Darum ist ein strenges Bundes-Preßgesetz notwendig, insbesondere „müssen
die deutschen Regierungen sich wechselseitig verbinden, keinem der heute
berüchtigten Redakteurs den Eintritt in neue Zeitungs-Redaktionen zu ge-
statten und überhaupt die vielen Zeitungsblätter zu vermindern."
Zum Dritten sollte sich die Konferenz mit den Universitäten und
Schulen beschäftigen. Metternich dachte zwar sehr niedrig von der poli-
tischen Befähigung der Professoren und begründete dies Urteil, bezeichnend
genug, mit der Behauptung, daß kein Gelehrter den Wert des Eigen-
tums zu schätzen wisse; aber mittelbar schien ihm die politische Wirksam-
keit der unpraktischen Leute sehr gefährlich, da sie „die Vereinigung der
Deutschen in ein Deutschland“ lehrten und das heranwachsende Geschlecht
„zu diesem verruchten Zweck“ erzögen. Darum lag ihm so viel an der
schleunigen Absetzung demagogischer Lehrer, und Hardenberg war schwach
genug, alle die verständigen Grundsätze jener Eichhornschen Denkschrift,
welche Graf Bernstorff erst vor wenigen Tagen dem Bundestage über-
sendet hatte, sofort über Bord zu werfen. Er verstand sich zu der Ab-
rede, „daß notorisch schlechtgesinnte und in die Umtriebe des heutigen
Studenten-Unfugs verflochtene Professoren alsbald von den Lehrstühlen
entfernt werden, und daß kein ähnliches von einer deutschen Universität
entferntes Individuum auf den Universitäten in anderen deutschen Staaten
Anstellung erhalte.“ Zum Schluß ward noch ausbedungen, daß diese
Maßregeln auch auf das Schulwesen erstreckt werden sollten.
So der Inhalt des unseligen Vertrags. Es war, als ob ein finsteres
Verhängnis diesem unglücklichen, so mühsam aus der Zersplitterung empor-
steigenden Volke jede Möglichkeit der Selbsterkenntnis, jeden Weg zur poli-
tischen Macht gewaltsam abschneiden wollte. Manche traurige Verirrungen
der deutschen Patrioten in späteren Jahren lassen sich nur erklären aus
der vollkommenen Verwirrung aller politischen Begriffe, welche der un-
natürliche Bund der beiden Großmächte notwendig hervorrufen mußte.
Die beiden Mächte beabsichtigten der Gewalt des Deutschen Bundes die
unzweifelhaft dringend nötige Verstärkung zu bringen; sie erweiterten
seine Befugnisse weit über die Vorschriften der Bundesakte hinaus; sie
gestatteten ihm Eingriffe in das innere Leben der Einzelstaaten, welche
sich mit dem Wesen eines völkerrechtlichen Staatenbundes nicht mehr ver-