Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Auflösung der Burschenschaft. 579 
sammen, um den aufgelösten Bund von neuem zu schließen. Diesen neuen 
geheimen Burschenschaften, die sich nunmehr fast auf allen Universitäten 
zusammentaten, trugen, da sie mit der Polizei in beständigem Kampfe 
lebten, von Haus aus eine radikalere Färbung als der alte allgemeine 
Burschenbund und waren doch im Grunde noch ungefährlicher. Denn die 
ernsthaften Soldaten des Befreiungskrieges verließen jetzt allesamt die 
Hochschulen; der junge Nachwuchs bestand wieder aus gewöhnlichen Schul— 
füchsen, die sich die Freuden des Burschenlebens nicht verkümmern ließen 
und die Raufhändel mit ihren Gegnern, den überall neu entstehenden 
Korps und Landsmannschaften, zumeist weit eifriger betrieben als die poli— 
tische Redekunst. Aber die heilsame sittliche Wirkung der burschenschaftlichen 
Bewegung blieb den Universitäten unverloren; die entsetzliche Roheit der 
guten alten Zeit kehrte in solchem Maße niemals wieder. Die Jenenser Lehrer 
blieben nach Okens Entlassung unbelästigt; nur Fries mußte, infolge 
jenes törichten Aufsatzes über die hochwohlgebornen französischen Affen, 
einige Jahre lang seine Vorlesungen einstellen. Welch ein klägliches Er— 
gebnis, nachdem der österreichische Präsidialgesandte den gesamten deut- 
schen Professorenstand vor aller Welt mit Anklagen überschüttet hattel 
Die Ausführung der neuen Bundesgesetze erfolgte überall unter der 
unmittelbaren Aufsicht der Gesandten Osterreichs und Preußens. Dem 
Bundestage wollten die beiden Großmächte diese ÜUberwachung nicht über- 
lassen. Er war durch Zank und Untätigkeit und zuletzt noch durch die 
erzwungene Abstimmung vom September gänzlich entwürdigt; in Wien 
und an den befreundeten Höfen erwog man schon seit Monaten die Frage, 
ob es nicht geraten sei, alle wichtigen Bundesgeschäfte unmittelbar durch 
die Regierungen zu erledigen und die Bundesversammlung als eine be- 
scheidene Tagsatzung alljährlich nur auf drei Monate nach Mannheim ein- 
zuberufen.) Die k. k. Gesandten erhielten demnach gemessenen Befehl, die 
Handhabung der Zensur und der akademischen Disziplin in den kleinen 
Staaten sorgsam zu beaufsichtigen. In seinen eigenen Bundeslanden konnte 
Kaiser Franz freilich für die Vollziehung der Karlsbader Beschlüsse gar 
nichts tun; in dieser friedsamen österreichischen Welt war weder ein Demagog 
noch ein Burschenschafter noch eine liberale Zeitung aufzutreiben. Nur 
um ihren guten Willen zu beweisen, veranstaltete die Wiener Polizei im 
Oktober ein Treibjagen auf die zahlreichen Hauslehrer aus der Schweiz; 
doch da sich bei den verhafteten nur „einige Briefe mit schlechten Grund- 
sätzen“ vorfanden, so mußte sich der Kaiser begnügen, sie noch eine Weile 
gefangen zu halten und dann über die Grenze abschieben zu lassen.“) 
Fast noch eifriger zeigte sich der Berliner Hof. Der König war und 
blieb von der Notwendigkeit der Ausnahmegesetze tief durchdrungen, be- 
fahl allen seinen Gesandten in Deutschland die Ausführung zu überwachen 
*) Berkheims Berichte, Frankfurt 2. April 1819 ff. 
**) Krusemarks Bericht, 30. Okt. 1819. 
 
	        
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