Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Gemeinheitstheilung. 107 
Zank. Die Staatsgewalt aber schritt unbekümmert vorwärts, und bis 
zum Jahre 1848 wurden noch fast 43 Mill. Morgen Gemeindeland auf- 
getheilt oder von Servituten befreit. Fast überall schämten sich die Bauern 
ihres Widerstandes, sobald das Werk gelungen war, und die verhaßten 
Generalcommissionen gelangten nach und nach zu hohem Ansehen. Das 
Landvolk begann einzusehen, daß die Gemeinheitstheilung ein unentbehr- 
liches Glied war in der langen Kette jener Reformen, welche den frohnenden 
Scharwerker zum freien Eigenthümer erheben sollten. Mit den Gemein- 
heiten fiel auch der Flurzwang. Nun erst ward auf den Dorffluren ein 
leidliches Bewässerungs= und Wegenetz möglich, dessen gerade Linien 
allerdings die Schönheit der Landschaft oft beeinträchtigten. Nun erst 
konnte der Bauer die altväterische Dreifelderwirthschaft aufgeben und auf 
seinem abgerundeten Gute einen intensiveren Anbau versuchen. Er war 
jetzt seines Besitzthums völlig Herr und durfte bei Fleiß und gutem Glück 
auf steigenden Wohlstand zählen. Im Mißgeschick bekam er freilich die 
Härten des Systems der freien Concurrenz schwer zu fühlen; dann fehlte 
ihm der Nothpfennig der Gemeindenutzung, und da die landwirthschaftlichen 
Creditinstitute nur den großen Grundbesitzern zu gute kamen, so lief er 
leicht Gefahr von den benachbarten Grundherren ausgekauft zu werden. 
Die Gemeinheitstheilung verstopfte einen Quell ewigen Haders zwischen 
den Grundherren und den Bauerschaften, wie andererseits die meisten der 
Grenzstreitigkeiten, welche die proceßlustigen Bauern unter einander ver- 
feindet hatten, durch Zusammenlegung der Güter beseitigt wurden. Sie 
wirkte auf das Communalleben des flachen Landes in ähnlicher Weise 
wie einst die Aufhebung der Zunft= und Bannrechte auf die Städte. Der 
Gemeinheiten entledigt konnte das Dorf nunmehr in Wahrheit zu einer 
politischen Gemeinde werden. 
Auf diesen großen Umschwung der ländlichen Verhältnisse hatte die 
Commission ihre Entwürfe berechnet. Es war ihr ganzer Ernst mit dem 
Fundamentalsatze des Hardenbergischen Verfassungsplanes: „wir haben 
lauter freie Eigenthümer.“ Und ohne den redlichen Eifer für das gemeine 
Recht konnte die Reform allerdings nicht gelingen. Aber auch Schonung 
für das historisch Gegebene, für die unendliche Mannigfaltigkeit des 
communalen Lebens war unentbehrlich, und von solchem Verständniß besaß 
das liberale Beamtenthum, das die Mehrheit der Commission bildete, nur 
wenig. Friese vornehmlich war sehr geneigt den berechtigten Gedanken 
der Staatseinheit auf die Spitze zu treiben; hatte er doch vor neun 
Jahren geradezu die Aufhebung der Provinzen befürwortet, weil der Pro- 
vinzialgeist die Staatsgesinnung ertödte. Gleich zu Beginn der Berathung 
ward die unabweisbare Frage aufgeworfen, ob eine Communalordnung 
für den ganzen Staat, wie Hardenberg sie verlangt hatte, überhaupt 
möglich sei. Vincke erklärte nach seiner Kenntniß von Land und Leuten, 
daß der Westen seiner Bürgermeistereien und Aemter nicht entbehren
	        
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