Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

124 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
vollen rechtshistorischen Forschungen seines Freundes Savigny mit Theil— 
nahme folgte. Von der Armee aber ward er durch seine unmilitärischen 
Neigungen getrennt. Wohl sprach er mit Stolz von diesem Heere, „dem 
ersten der Welt“, und versicherte oft: ich fühle mich ganz als preußischer 
Offizier. Auch auf dem Schlachtfelde hatte er sich unerschrocken gezeigt 
und einmal im Kugelregen den Offizieren, die ihn zur Vorsicht mahnten, 
gleichmüthig erwidert: „Was wär' es denn weiter? Dann würde mein 
Bruder Wilhelm Kronprinz.“ Nach dem Kriege führte er den Ober— 
befehl über das pommersche Armeecorps und lernte viel von seinem geist— 
reichen militärischen Begleiter, Oberst Schack, dem allzu früh verstorbenen 
Liebling York's. Gleichwohl bemerkte man bald, daß die Pünktlichkeit 
und das Einerlei des Dienstes dem Prinzen lästig waren. Offenherzige 
Generale gestanden, er verstehe mit alten Soldaten nicht recht umzugehen, 
und die ihn näher kannten, wußten wohl, daß er den Krieg verabscheute, 
daß die Friedensliebe der Hohenzollern diesen Sohn des Hauses nur allzu 
stark beherrschte. Mit den Offizieren, die er bevorzugte, mit C. v. Röder, 
Gröben, Willisen, L. v. Gerlach verband ihn mehr die gemeinsame kirchlich— 
politische Gesinnung als die militärische Kameradschaft. 
Der Kronprinz verachtete den bureaukratischen Zwang, und da er 
über die Aengste der Polizei, über die Mißgriffe der Verwaltung sich sehr 
freimüthig äußerte, so gerieth er bei Halbkundigen leicht in den Ruf des 
Liberalismus; sein Oheim, der starre Hochtory Ernst August von Cumber— 
land beschuldigte ihn gar jacobinischer Neigungen. Er selber war auch 
keineswegs gemeint, den Strom der Zeit einfach abzudämmen; vielmehr 
glaubte er sich berufen, zwischen den beiden extremen Parteien, welche die 
Welt erschütterten, weise zu vermitteln und bezeichnete seine Stellung gern 
mit dem Ausspruch de Maistre's: wir wollen weder die Revolution, noch 
die Gegenrevolution, sondern das Gegentheil der Revolution. Gneisenau 
aber schrieb dem Staatskanzler: „der Kronprinz möchte lieber die Gewässer 
wieder gegen ihre Quellen leiten als ihren Lauf in die Ebene regeln.“.) 
Und sein Feldherrnblick sah schärfer als die Selbsterkenntniß Friedrich 
Wilhelm's. Die politischen Ideen Niebuhr's und Savigny's wurden von 
dem Prinzen gelehrig aufgenommen, aber durch die historische Sehnsucht 
seines erregten Gemüths so lange umgebildet, bis er schließlich der libe- 
ralen Welt weit ferner stand, als sein schlichter Vater. Der König hatte 
sich nicht gescheut, jene „Revolution im guten Sinne“ zu wagen, jene 
sociale Umwälzung, die mit den verrufenen „Ideen von 89“ doch Vieles 
gemein hatte, und auch jetzt hielt er die Grundgedanken moderner Staats- 
einheit und Rechtsgleichheit fest, wenngleich ihn manche Erscheinungen der 
Zeit mit Besorgniß erfüllten. Der Thronfolger dagegen haßte die Revo- 
lution schlechthin, er sah in ihr eine Macht der Finsterniß, die aus der 
  
*) Gneisenau an Hardenberg, 6. Febr. 1821.
	        
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