Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Erhebung Südamerikas. 133 
kämpfer umschwebte, fiel ein heller Abglanz zurück auf das Geburtsland 
der Menschenrechte. Durch die Erhebung der Völker des Nordens war 
das napoleonische Weltreich zertrümmert worden; seit den Revolutionen 
von 1820 machten die politischen Gedanken der romanisch-katholischen 
Völker abermals die Runde durch die Welt. 
Unterdrückung und Verfolgung hatten unsere Presse heimgesucht, als 
sie zum ersten male das heimische Staatsleben zu beurtheilen gewagt; 
nun wendete sie sich ganz dem Auslande zu und füllte fast alle ihre 
Spalten mit Berichten aus Spanien und Jtalien, die sie den reicheren 
Zeitungen der Engländer und Franzosen entlehnte. So gewöhnten sich 
die Leser mit ihren Gedanken unstet in die Ferne zu schweifen und über 
unverstandene Dinge abzuurtheilen. Mit dem Namen Revolution ward 
wieder ein Cultus getrieben, wie vor Zeiten als Klopstock die Morgenröthe 
der gallischen Freiheit besang. Nur ein plötzliches Erwachen der freien 
Volkskraft schien dem deutschen Elend ein Ziel setzen zu können, und schon 
schalt mancher radicale Heißsporn zornig: alle Völker haben ihre Revolution 
gehabt, nur nicht die langsamen Deutschen! Daß die kühnste und frucht- 
barste aller modernen Revolutionen aus dem Vaterlande Martin Luther's 
hervorgegangen war, kam den Bewunderern der neufranzösischen Freiheit 
nicht zum Bewußtsein; und noch weniger hätten sie eingesehen, daß die 
revolutionären Erhebungen des Südens nicht der überlegenen Heldenkraft 
seiner Völker entsprangen, sondern den Freveln eines gewaltthätigen Des- 
potismus, der auf den Massen ungleich härter lastete als die Nichtigkeit 
des Deutschen Bundes. Dergestalt begannen die Revolutionslehren der 
Besiegten in das Land der Sieger wieder einzudringen, und nach und 
nach ward ein Zündstoff angesammelt, der in den Erschütterungen von 
1830 und 1848 sich entladen sollte. Noch war die Mißstimmung schwach 
und ungefährlich, sie beschränkte sich auf einige Kreise der gebildeten Klassen, 
denen die revolutionäre Willenskraft völlig abging; doch sie mußte mit 
den Jahren wachsen, da der Nation jede gesetzliche Mitwirkung bei der 
Bundespolitik verboten war und der Groll über die Mißgriffe der Regie- 
rungen durch das beschämende Bewußtsein der deutschen Zersplitterung 
beständig verschärft wurde. — 
Mehr denn zweihundert Jahre lang war das bunte Rassengemisch 
des spanischen Amerikas den Europäern eine unbekannte Welt geblieben, 
argwöhnisch abgesperrt durch ein schläfriges kirchlich-politisches Regiment, 
das die Kolonien nicht eigentlich drückte, aber sie im Zustande ewiger 
Kindheit zu erhalten suchte. Erst seit der Abfall Nordamerikas dem 
jungen Welttheil den Anbruch eines neuen Tages verkündet und zugleich 
die Reformen König Karl's III. dem Mutterlande wie den Kolonien 
einige Erleichterung des Handels, einige Freiheit des geistigen Lebens 
gewährt hatten, begann sich in diesen werdenden Völkern ein amerikanisches 
Selbstgefühl zu regen. Als darauf die Spanier wider die französischen
	        
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