Portugal. Neapel. 139
verkündigte, daß hier vorm Jahre der ruhmvolle Kaiser Franz gewohnt
habe. Und jetzt kam die Schreckenskunde, daß am 2. Juli auch das
neapolitanische Heer aufgestanden war. Die Demüthigung des Neffen in
Madrid erschütterte durch einen natürlichen Rückschlag auch den Thron
des Oheims in Neapel. So grausam wie sein spanischer Verwandter
war König Ferdinand von Neapel nach seiner letzten Rückkehr allerdings
nicht aufgetreten. Aber nachdem das mißhandelte Volk unter König
Murat zum ersten male den Segen einer streng geordneten bureaukratischen
Verwaltung kennen gelernt hatte, vermochte der geistlose, zwischen Schlaff-
heit und Willkür schwankende Absolutismus der Bourbonen, der um des
lieben Friedens willen sogar mit den Räuberbanden Verträge schloß, sein
altes Ansehen nicht wieder zu gewinnen.
Ein finsterer Geist des Mißtrauens, das arge Vermächtniß langer
Jahrhunderte der Fremdherrschaft, lag wie ein Fluch über dem Lande.
Die Sicilianer verziehen dem Bourbonen nicht, daß er zum Dank für
ihre bewährte Treue die uralte Selbständigkeit ihrer ruhmreichen Krone
vernichtet, ihre kaum begründete neue Verfassung wieder aufgehoben und
die Insel widerrechtlich mit den verhaßten Continentalen zu einem König-
reiche beider Sicilien zusammengeschweißt hatte. Die gebildeten Klassen
der Hauptstadt dachten noch immer mit unversöhnlicher Rachsucht an
das gräßliche Jahr 1799, an den Verrath und den Massenmord, welche
damals die erste Rückkehr der Bourbonen geschändet hatten, und rechneten
die ganze Blutschuld jener Frevel dem königlichen Hause zu, denn ihr
eigentlicher Urheber, Nelson war vergessen. An den Personen des Hofes
bekundete sich hier wie in Madrid schon jene stumpfsinnige Nichtigkeit,
welche die späteren Geschlechter uralter Fürstenhäuser so häufig auszeichnet,
nur daß der Angler Ferdinand von Neapel immerhin noch etwas männ-
licher erschien als der Sticker Ferdinand von Spanien. Von allen den
constitutionellen Verheißungen, die der Bourbone einst aus Palermo seinen
Neapolitanern zugesendet, verlautete jetzt kein Wort mehr. Das Heer
hatte unter Napoleons Fahnen zuerst den diesem Volke ganz unbekannten
Feuertrank kriegerischen Ruhmes gekostet und sah jetzt sich mißachtet und ver-
nachlässigt, seine schönsten Erinnerungen verhöhnt, seine bewährten Führer
durch die Günstlinge des Hofes angefeindet oder verdrängt. Gesetzlicher
Sinn war unmöglich in einem Lande, das binnen weniger Jahre so viele
Herren hatte kommen und gehen sehen. Das Sektenwesen der geheimen
Gesellschaften stand in üppiger Blüthe. Die aus Frankreich eingedrungene
maurerische Gesellschaft der Carbonari, die in Italien bald den Charakter
eines revolutionären Geheimbundes angenommen hatte, wetteiferte mit
der reaktionären Verschwörung der Keßler in schlechten demagogischen
Künsten.
Also von allen Seiten her unterhöhlt brach die Selbstherrlichkeit der
Bourbonen jählings zusammen, als die Dragoner in Nola den Aufstand