Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Vierter Abschnitt. 
– 
Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes. 
In Berlin tagte die neue Verfassungscommission unter dem Vorsitze 
des Kronprinzen und schickte sich an, über Hardenberg's Gemeindegesetzen 
den Stab zu brechen. Währenddem durchreiste der Staatskanzler ver- 
gnüglich die Städte Oberitaliens, als ob ihn der Zusammenbruch seines 
Verfassungswerkes gar nicht berührte; er verlebte in Venedig eine Stunde 
peinlichen Wiedersehns mit seinem alten Amtsgenossen, dem ganz im 
Trunk verkommenen Grafen Haugwitz, besuchte mit jugendlicher Wiß- 
begier die Kirchen und Kunstschätze und beobachtete scharfen Blickes auch die 
politischen Zustände des Landes, den Verfall des venetianischen Handels, 
den unversöhnlichen Haß der Italiener wider die österreichischen Behörden. 
Als er im März 1821 in Rom eintraf, fand er dort ein ungewöhnlich 
reges Fremdentreiben: außer dem treuen Stammgaste der römischen 
Museen, dem Kronprinzen von Baiern hatten sich auch Prinz August 
von Preußen, der Freiherr vom Stein und zahlreiche vornehme Eng- 
länder, unbekümmert um die Wirren im nahen Neapel, am Tiber ein- 
gefunden. Der alte Herr verkehrte am liebsten in dem munteren Kreise 
der deutschen Maler und freute sich herzlich der aufblühenden vater- 
ländischen Kunst, als ihm Veit und Schadow in der Casa Bartholdi die 
neuen Fresken zeigten. Die Zerstreuungen des Reiselebens nahmen ihn 
ganz in Anspruch und nur für ein ernstes politisches Geschäft behielt er 
noch Zeit: für den Abschluß der Verhandlungen mit dem heiligen Stuhle.“ 
Wie alle die schroffen Gegensätze des deutschen Lebens in den großen 
Verhältnissen Preußens ihre ganze Schärfe zeigten, so bot auch die 
Wahrung des kirchlichen Friedens nirgends größere Schwierigkeiten als in 
diesem Staate, der trotz seiner altbewährten Duldsamkeit doch auf einer 
streng protestantischen Geschichte stand und nun ein zu zwei Fünfteln 
katholisches Volk regieren sollte. Fast die Hälfte seiner katholischen Unter- 
thanen war polnisch, schon durch ihr Volksthum dem Herrscherhause 
  
*) Hardenberg's Tagebuch, Febr., März 1821.
	        
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