Die Conferenz und der Bundestag. 13
Stille schon darüber geeinigt hatte, beantragte Metternich am 4. März,
man möge aus den hier beschlossenen Sätzen eine Supplementar-Akte zur
Bundesakte zusammenstellen und diese sodann „unter Bezugnahme auf
den Art. 10 der Bundesakte“ dem Bundestage zur förmlichen Bekannt—
machung übersenden.
Also unter Bezugnahme auf den Art. 10 sollte dieser Artikel auf—
gehoben und die dem Bundestage gebührende Abfassung der Grundgesetze
kurzweg einer Ministerconferenz, von welcher die Bundesakte gar nichts
wußte, übertragen werden! Kühner hatte selbst Metternich die Vorschriften
des deutschen Bundesrechts noch niemals ausgelegt. Was kümmerte es
ihn, daß er noch im November versichert hatte, man beabsichtige nur eine
freundschaftliche Rücksprache zwischen den verbündeten Regierungen? Jetzt
behauptete er zuversichtlich, dieser Ministerversammlung stehe die höhere,
dem Bundestage nur eine untergeordnete Gewalt zu. Aber so gewiß
der österreichische Vorschlag schweren rechtlichen Bedenken unterlag, ein ge—
schickter diplomatischer Nothbehelf war er doch; er bot das einfachste Mittel
um aus den weitschweifigen Verhandlungen ein gesichertes Ergebniß zu
gewinnen und zugleich den Bundestag ganz zur Seite zu drängen. Dies
letztere Ziel hielt Metternich beständig im Auge, denn das Durcheinander
der Parteien in der Eschenheimer Gasse beunruhigte ihn schwer. Weder
Graf Buol noch sein preußischer Genosse vermochte die kleinen Bundes—
gesandten im Zaume zu halten. Ueber die Abberufung des Grafen Goltz, der
sich sehnsüchtig aus dem Frankfurter Gezänk hinwegwünschte, ward schon seit
Langem berathen; aber es fand sich kein Nachfolger, denn Graf Solms-
Laubach war dem Wiener Hofe verdächtig und den katholischen Fürsten
Hatzfeldt fand der König für diesen Posten nicht geeignet, da Preußen am
Bundestage als Führer der protestantischen Höfe auftreten sollte. Die
ungenügende Vertretung blieb also vorläufig unverändert und Goltz wurde
nur angewiesen, über Fragen des Bundesrechts den Rath des gelehrten
Klüber einzuholen.) Der führerlose Bundestag schien schlechthin unberechen-
bar; gestattete man ihm über die Wiener Vereinbarung nochmals zu be-
rathen, so war leicht vorherzusehen, daß Wangenheim und seine liberalen
Freunde, mit oder ohne Erlaubniß ihrer Höfe, die Fahne der Opposition
aufpflanzen, ihre Reden, durch die öffentlichen Protocolle weithin ins Land
getragen, die öffentliche Meinung aufstacheln würden. In der Anarchie
dieses Bundes war Alles möglich, selbst ein Kampf zwischen den Bundes-
gesandten und ihren vorgesetzten Ministern. Solches Aergerniß ließ sich
nur vermeiden, wenn man in Wien Alles ins Reine brachte und den
Bundestag wieder, wie im vorigen Herbst, unter die Macht der vollendeten
*) Bernstorff an Hardenberg, 19. Febr., 3., 17. April; Hardenberg's und Bern-
storff's Eingaben an den König, 18. Juli, 2. Aug.; Hardenberg an den König, 5. Ang.
Cab.-Rath Albrecht an Bernstorff, 27. Sept. 1820.