Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die oberrheinische Kirchenprovinz. 225 
Wurde die erzbischöfliche Würde auf dieses Hochstift übertragen, so standen 
neue peinliche Zerwürfnisse mit dem römischen Stuhle bevor, und zu sol— 
chen Händeln verspürte der Karlsruher Hof keine Neigung mehr. Der 
neue Großherzog Ludwig hatte sich schon vor Jahren, als er noch in Salem 
am Bodensee sein leichtfertiges Junggesellenleben führte, über die frei— 
müthigen Ermahnungen des sittenstrengen Constanzer Prälaten geärgert 
und beargwöhnte Wessenberg als einen gefährlichen Liberalen. 
Die veränderte Stimmung des badischen Cabinets bekundete sich schon 
darin, daß der Bundesgesandte Blittersdorff in die Frankfurter Conferenzen 
eintrat, allerdings kein unbedingter Gegner Wessenberg's, aber ein Hoch— 
conservativer, der um jeden Preis den Frieden mit der Curie herstellen 
wollte. Er warf zuerst die Frage auf, ob man nicht den Constanzer 
Capitelsvicar zur freiwilligen Abdankung bewegen oder vielleicht gar das 
Bisthum selber aufheben könne; dann wurde die bestrittene Constanzer Wahl 
von selbst nichtig, und der Stein des Anstoßes fiel dahin.“) So sollte denn 
abermals ein ehrwürdiges historisches Band zerrissen und dies uralte Hoch— 
stift, weiland das größte des heiligen Reichs, vernichtet werden. Doch in 
diesem badischen Lande, wo Alles neu war, konnte auch ein modernes Bis— 
thum wenig Befremden erregen; der Vorschlag räumte eine augenblickliche 
Verlegenheit aus dem Wege, und das bequemer gelegene Freiburg mit 
seinem herrlichen Münster bot dem erzbischöflichen Stuhle eine würdige 
Heimstätte. Die fünf Höfe einigten sich also über den Plan einer Erz- 
diöcese Freiburg mit vier Suffraganbisthümern Rottenburg, Mainz, Fulda, 
Limburg und sendeten diese Vorschläge der Curie. In Rom führte unter- 
dessen der württembergische Gesandte Kölle die gemeinsamen Geschäfte — 
einer jener literarischen Dilettanten, wie sie in dem beschäftigten Müßig- 
gange des kleinstaatlichen Diplomatenlebens gedeihen, allbekannt als Kunst- 
sammler und unerschöpflicher Geschichtenerzähler; der Allgemeinen Zeitung 
pflegte er mit der Miene des Tiefeingeweihten politische Artikel zu senden, 
die allesammt gewandt geschrieben, auch nicht ohne Geist, doch schlechter- 
dings nichts Neues sagten. 
Als Freimaurer und Josephiner war er in Rom nicht an der rechten 
Stelle. Consalvi ließ sich wenig mit ihm ein, und während die fünf Höfe 
noch auf eine Erwiderung des Papstes warteten, wurden sie plötzlich durch 
die Uebersendung der Circumseriptionsbulle selber überrascht. Diese Bulle 
Provida sollersque vom 16. Aug. 1821 bestimmte die Eintheilung der 
oberrheinischen Kirchenprovinz im Wesentlichen nach den Vorschlägen der 
Regierungen, aber sie enthielt auch eine gefährliche Vorschrift, welche Nie- 
buhr bei seiner Unterhandlung sorgsam vermieden hatte: der Papst unter- 
warf nicht bloß die katholischen Unterthanen, sondern das gesammte 
Staatsgebiet der fünf Souveräne der geistlichen Gewalt der neuen 
  
7) Blittersdorff's Bericht, 28. Dec. 1820. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 15
	        
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