Neue Hilferufe aus Baiern und Baden. 269
geträumt hatte, um wieder einmal eine Rolle zu spielen. Er erbot sich
nach Wien zu gehen um den beiden Großmächten die verzweifelte Lage
Badens vorzustellen — aber im tiefsten Geheimniß, denn sonst würde
er sein Ansehen am Bundestage für immer verlieren. Zu Ende Septembers
erschien er wirklich in der Wiener Versammlung, und „was er bringt —
schrieb Bernstorff — ist nur ein Schrei der Verzweiflung“. In einer
Denkschrift vom 27. September schilderte er die Zustände seiner Heimath
mit ungeheuerlicher Uebertreibung, als ob der Staat dicht am Rande
der Revolution stände, und verlangte die Hilfe der Großmächte wider die
allmächtige Kaste der Staatsdiener.)
Inzwischen hatte auch in Baiern jene Partei, welche vor drei Jahren
auf einen Staatsstreich ausgegangen war, unablässig weiter gearbeitet.
Im Jahre 1821 tauchte der Vorschlag auf, den Prinzen Karl, den Liebling
des Königs und des Heeres, einen erklärten Anhänger des Absolutismus,
an die Spitze des Kriegsministeriums zu berufen; der Plan scheiterte
nach langem Streite, vornehmlich an dem Widerspruche des streng con-
stitutionell gesinnten Kronprinzen. Dann wurden in der Armee von einigen
Heißspornen abermals Adressen verbreitet, welche den Verfassungseid für
das Heer und eine besser gesicherte Stellung für die Offiziere forderten.
Der ganze Lärm bedeutete wenig, da die Treue der großen Mehrzahl
der Offiziere sich auch diesmal vollständig bewährte; aber der ängstliche
König fühlte sich von Neuem beunruhigt.““) Darauf folgte ein leiden-
schaftlicher Zwist über einige Ersparnisse im Heerwesen, welche selbst Wrede
für nothwendig hielt; Prinz Karl nahm entrüstet seinen Abschied und
überwarf sich gänzlich mit dem Feldmarschall.““') Der Landtag trat im
Jahre 1822 wieder zusammen und hütete sich diesmal sorgsam vor un-
vorsichtigen Beschlüssen. Der heißblütige Behr, der, soeben zum Bürger-
meister von Würzburg erwählt, seinen Sitz als Abgeordneter der Universität
widerstrebend aufgeben mußte, versuchte zwar die Volksvertreter durch
einen flammenden Aufruf zu erregen. Er beschwor sie, „das in Karlsbad
gegebene Beispiel eines ersten Attentats auf die Verfassung nicht un-
geahndet zu lassen; es gilt der rechtlichen Freiheit oder Sklaverei des
Bürgerstandes, dem der Adel den Fuß mehr als je in den Nacken setzt".
Das Schriftstück ward indeß sofort mit Beschlag belegt, und die Kammer
wollte den aussichtslosen Kampf wider die Bundesbeschlüsse nicht aufnehmen.
Auch nachher führte der unaufhaltsame Hornthal noch manchen stürmischen
Auftritt herbei. Am Schlusse der Tagung feierte Aretin, der Heraus-
geber der Alemannia, die bairische Freiheit in dem blühenden Bilder-
*) Blittersdorff's Berichte, Wien 26., 28. Sept.; Bernstorff an Ancillon, 27. Sep-
tember 1822.
*“) Blittersdorff, Denkschrift über die Zustände in Baiern, 5. Febr.; Küster's Be-
richt, 22. Jan. 1822.
*““) Berichte von Zastrow, 22. Mai; von Gf. Schaffgotsch, 5. Juni 1822.