272 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
Die österreichischen Staatsmänner erwarteten „goldene Früchte“ von
der Versammlung. Aber die Tage ihrer ungetrübten Erfolge gingen zu
Ende, der glanzvollste Fürstentag der großen Allianz ward unter allen der
unfruchtbarste. In Troppau und Laibach war Metternich mit festen Plänen
siegreich vor die schwankenden Großmächte getreten; über die spanische Frage,
die jetzt alle anderen Streitfragen in den Hintergrund drängte, hatte er sich
selbst noch keine bestimmte Meinung gebildet. Er wollte weder einen fran-
zösischen Kreuzzug noch einen Coalitionskrieg gegen die spanischen Rebellen,
und doch wünschte er dringend, die revolutionäre Regierung in Madrid
feierlich aus der Gemeinschaft der legitimen Mächte auszustoßen und dadurch
vielleicht die gutgesinnten Spanier zur Befreiung ihres Königs zu er-
muthigen. So gerieth der Rathlose bald zwischen die beiden harten Mühl-
steine der russischen und der englischen Politik, die er in seinem Hochmuth
beide nach seinem Willen zu bewegen gehofft hatte. Wohl besaß er jetzt das
Ohr Alexander's, jedoch er konnte diesen schwer errungenen Einfluß nur
behaupten, wenn er den Launen des Kaisers mindestens zu folgen schien;
welch ein Unheil für Oesterreich, wenn der Czar sich enttäuscht aus den
Händeln des Westens zurückzog, um den besten Freund der Hofburg, den
Sultan aufs Neue zu bedrängen! Von allen Seiten als „der Wohlthäter
Europas" begrüßt und mit schmeichelhaften Versicherungen der Dankbarkeit
überschüttet, wollte Alexander jetzt auch die Früchte der Großmuth, die er im
Oriente bewährt, genießen und die Revolution im Westen für immer nieder-
schmettern. Mit wachsender Ungeduld verlangte er den allgemeinen Krieg
wider die spanischen Rebellen: mochten immerhin die Franzosen, denen er
selbst keineswegs traute, den Vortritt nehmen, ein russisches Heer stand schon
an der polnischen Grenze zum Nachrücken bereit. Diesen kühnen Entwürfen
trat nun Wellington entgegen, trocken, bitter, griesgrämisch, mit einem
steifen Dünkel, der auf der weiten Welt kein Interesse neben dem englischen
gelten ließ; jedes seiner Worte verrieth den stillen Groll der Torys wider
Rußland und bestärkte den Czaren nur in seinem Eifer. Bei dem eisernen
Herzog richteten Metternich's Vermittlungskünste nichts aus; er vollführte
mit soldatischer Strammheit die Befehle seines Cabinets, und da seine
hochconservative Gesinnung außer allem Zweifel stand, so war er auch
gepanzert gegen den Vorwurf, daß er die Revolution begünstige. Der
schroffe Gegensatz der englischen und der russischen Politik bestimmte, wie
Bernstorff bald bemerkte, den Gang der Verhandlungen und ihr allen
Parteien unerwartetes Ergebniß.)
Um dem Cezaren seine gute Gesinnung zu erweisen, theilte Metternich
am 18. Okt., noch bevor der Congreß förmlich eröffnet war, eine Denk-
schrift mit, die sich im Eingang sehr scharf wider die spanischen Rebellen
aussprach: das Ziel der Allianz bleibe die Vernichtung der Revolution,
*) Bernstorff an Ancillon, 15. Nov. 1822, 21. Jan. 1823.