Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Opposition am Bundestage. 287 
ihm Wangenheim von Baierns großer Zukunft, von der Führung des 
reinen Deutschlands sprach, und betheiligte sich behutsam an dem kleinen 
Kriege wider die Großmächte. In seiner naiven Unkenntniß der deutschen 
Dinge war der Holländer Grünne völlig wehrlos gegen die Redekünste 
des Württembergers. Selbst Carlowitz, ein gutmüthiger Herr aus der 
schwerfälligen, formenseligen alten kursächsischen Beamtenschule, ließ sich 
bezaubern, und dem Hannoveraner Hammerstein, der seine Nächte am 
Spieltisch zu verbringen pflegte, war es ein frivoler Spaß, den Frieden 
des Bundestags gelegentlich durch kecken Widerspruch zu stören. 
Wangenheim's redlicher Eifer für die constitutionelle Freiheit führte 
auch den klugen Bremer Smidt, der sich nur ungern mit dem Hause 
Oesterreich's überwarf, unterweilen in das Lager der Opposition hinüber; 
und zu dieser buntgemischten Gesellschaft gesellte sich anfangs noch als 
zweidentiger Genosse das jüngste Mitglied des Bundestags, der Badener 
Blittersdorff — neben Smidt sicherlich der beste politische Kopf der Ver- 
sammlung, aber ein ganz unlauterer Charakter, der durch niedrige Ge- 
sinnung und maßlosen Ehrgeiz die Früchte einer reichen Begabung sich 
selbst verdarb. Wie viele Wandlungen hatte der Dreißigjährige am Ende 
des Jahres 1822 schon durchlaufen! Als Geschäftsträger in Petersburg 
hatte er die dynastischen Ansprüche seines Fürstenhauses geschickt vertreten 
und war nebenbei auch den Russen, wenn sie gar zu anmaßlich über 
Deutschland absprachen, scharf entgegengetreten; dann ward er, zur Zeit 
der Wiener Conferenzen, der eifrigste jener Ultras, welche die neuen Landes- 
verfassungen durch Bundesbeschlüsse zerstören wollten; nachher schlug er 
wieder um und schwelgte, etwa anderthalb Jahre lang in Triasträumen, 
bis er endlich im Herbst 1822 jene Reise nach Wien unternahm und, nun- 
mehr für immer, in das reaktionäre, österreichische Lager überging. Ein 
Sohn der katholischen Ritterschaft des Breisgaues hoffte er von Haus 
aus, entweder mit Oesterreichs Hilfe einen badischen Ministerposten oder, 
noch willkommener, eine hohe Stellung im k. k. Dienste zu erlangen; 
Metternich's ängstliche Politik wußte aber nichts anzufangen mit diesem 
unruhigen Pläneschmied, der sich an seine Weisungen selten band und 
gegebenenfalls selbst vor radicalen Entwürfen nicht zurückgeschreckt wäre. 
Von kleinlichem Particularismus war nichts in ihm. Ueber die 
Stürme im Wasserglase des Karlsruher Landtags urtheilte er mit einer 
hochmüthigen Verachtung, die von den badischen Liberalen noch weit schmerz- 
licher empfunden wurde als seine reaktionäre Gesinnung; und wenn er 
gelegentlich äußerte, die Bundesverfassung sei ein fortwährender Protest 
gegen die Unterdrückung der Kleinen, oder auch: die Nationalität sei das 
höchste Gut der Kleinstaaten, das sie niemals fremdem Einflusse opfern 
dürften — so waren das nur paradoxe Einfälle, die er selber nicht ernst 
meinte. Seine Hoffnung blieb eine starke, die Einzelstaaten meisternde 
Bundesgewalt. Nur der ruhelose Thatendrang, nur die Lust sein Licht
	        
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