Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Blittersdorff. Langenau. 289 
seine eigenen Freunde in Verlegenheit brachte, und den Gesandten der 
sechzehnten Curie, Leonhardi. Dieser trübselige Pedant hatte sich die Ehre, 
acht deutsche Souveräne, von Hohenzollern bis Waldeck, zu vertreten, im 
Submissionswege errungen, da er als wohlhabender Frankfurter Haus— 
besitzer mit einem lächerlichen Gehalte vorlieb nehmen konnte, und seine 
Leistungen entsprachen dem Preise; als einmal eine eilige Sitzung, statt 
auf den üblichen Donnerstag, schon auf den Samstag und die folgende 
gar schon auf den Montag angesetzt wurde, da verwahrte er sich lebhaft, 
denn wie konnte ein Frankfurter auf das Menschenrecht verzichten, Sonn— 
tags zum Aepfelwein in den Stadtwald oder nach Bockenheim hinaus— 
zufahren? 
Also ohne festen Anhalt in der Versammlung, waren die Gesandten 
der beiden Großmächte auch unter sich entzweit. Der natürliche Gegensatz 
der Interessen, der in der europäischen Politik immer wieder verhüllt 
wurde, offenbarte sich unverblümt am Bundestage. Wie unerträglich für 
den preußischen Stolz war schon die Machtstellung, welche der Präsidial- 
gesandte sich nach und nach angemaßt hatte. Er allein setzte die Tages- 
ordnung fest, ohne Vorwissen des Bundestags, und scheute sich nicht, selbst 
dem preußischen Gesandten zuweilen eine widerwärtige Ueberraschung zu 
bereiten. Er hielt das Archiv unter seinem Verschluß; denn in dieser 
Versammlung war Alles provisorisch; sie besaß weder eine eigene Kanzlei 
noch eine definitive Geschäftsordnung, ihre Gesandten mußten es hin- 
nehmen, wenn ihnen die k. k. Kanzleibeamten in unterthänigster Gemüth- 
lichkeit die zur Einsicht verlangten Akten unter allerhand Vorwänden ver- 
weigerten. Und was für Noth hatte General Wolzogen mit der Ordnung 
des Bundesheerwesens, das der Hofburg, so lange sie auf Preußens Waffen- 
hilfe zählen konnte, ganz gleichgiltig bliebt Tag für Tag stieß er auf die 
geheimen Ränke seines österreichischen Genossen Langenau. Der hegte 
noch von seinen sächsischen Zeiten her einen unversöhnlichen Haß gegen 
Preußen, verstand jedoch seine Gesinnung so geschickt hinter der Maske 
derber militärischer Freimüthigkeit zu verbergen, daß er die gesammte 
Bundesmilitärcommission hinter sich herzog. Nur Wenige wußten, daß 
dieser offenherzige Soldat der vertrauteste Rathgeber Metternich's in allen 
Fragen der Bundespolitik war und zugleich durch die geheime k. k. Polizei 
in Frankfurt jeden Brief erbrechen, jedes Gespräch der Bundesgesandten 
behorchen ließ. Da die vierte Bundesfestung Ulm, Dank dem ewigen 
Gezänk Württembergs und Badens, in einer absehbaren Zukunft nicht 
gebaut werden konnte, so suchte sich Oesterreich, den Verträgen zuwider, 
ausschließlich der Festung Mainz zu bemächtigen und verweigerte den 
Preußen unter lügnerischen Ausreden den zugesagten Wechsel im Commando. 
Immer wieder verlangte Goltz, daß die 20 Mill. französischer Festungs- 
gelder, welche Metternich eigenmächtig dem Hause Rothschild gegen einen 
einfachen Schuldschein anvertraut hatte, zu gleichen Theilen vorläufig an 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 19
	        
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