Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Wangenheim gegen die Mainzer Commission. 299 
Erhebliches entdeckt habe: es werde hohe Zeit die erschreckten Gemüther 
endlich zu beruhigen, auch besitze jeder Bundesstaat genügende Mittel um 
die demagogischen Umtriebe selber zu bestrafen. Daß Württemberg selber 
einst der Einsetzung der Commission zugestimmt hatte, wurde freilich 
wohlweislich verschwiegen. Und seltsam, diese kecke Kriegserklärung gegen 
die Karlsbader Politik fand die Mehrheit im Bundestage. Acht Stimmen 
des Engeren Rathes, lauter Kleinstaaten von Baden abwärts, schlossen 
sich dem württembergischen Antrage an; die beiden Großmächte und die 
drei größten Königreiche wurden von den Kleinen überstimmt. Mehrere 
der kleinen Souveräne handelten allerdings lediglich aus gekränktem Selbst— 
gefühl, und dem geizigen Kurfürsten von Hessen war an der Mainzer 
Commission nur das Eine anstößig, daß sie Geld kostete; auch mögen 
einige Gesandte der Mehrheit, fortgerissen durch Wangenheim's Bered— 
samkeit, auf eigene Faust gehandelt haben. Blittersdorff vollends schloß 
sich nur darum an, weil die Mainzer dem reaktionären Feuereifer des 
Karlsruher Hofes noch nicht thatkräftig genug erschienen.“) Gleichviel, es 
blieb doch aller Ehren werth, es war die beste That dieser so seltsam 
gemischten Opposition, daß sie das arge Nest der politischen Verdächtigung 
und Verfolgung auszunehmen versuchte. 
Graf Buol, der mit dem Präsidenten der Untersuchungscommission 
geheimen Briefwechsel unterhielt, war um so peinlicher überrascht, da sogar 
zwei in Mainz vertretene Höfe, Baden und Darmstadt, mit der Mehr— 
heit gestimmt hatten. Um Schlimmeres zu verhüten gab er den Mainzer 
Getreuen einen Wink, und am 30. Mai lag endlich der verlangte Rechen— 
schaftsbericht nebst zweiunddreißig Beilagen, Alles wohl versiegelt, auf 
dem Tische der Bundesversammlung. In einem Begleitschreiben erklärte 
die Mainzer Commission, über die noch schwebenden Untersuchungen ent— 
halte sie sich jeder Mittheilung, weil sie eine vorzeitige Veröffentlichung 
befürchte — ein boshafter Hieb auf Wangenheim, der schon mehrmals 
unvorsichtig aus der Schule geplaudert hatte. Der Württemberger und 
seine Genossen hofften nunmehr endlich das lichtscheue Treiben genau 
kennen zu lernen, aber die österreichische Gemüthlichkeit wußte sich zu 
helfen. Buol schlug vor, die versiegelten Papiere zunächst einem Aus- 
schusse zu überweisen, der aus den sieben bereits in Mainz vertretenen 
Staaten gebildet werden sollte. So geschah es, und Wangenheim nebst 
seinen Freunden erfuhr von den Mainzer Vorgängen nichts weiter als 
was der Ausschuß der sieben Eingeweihten dem Bundestage mitzutheilen 
für gut fand. An die Auflösung der unheimlichen Behörde war vollends 
noch gar nicht zu denken; denn ihr Rechenschaftsbericht reichte nur bis 
zum Jahre 1821; Jahre vergingen bis die Ergänzungen einliefen, und so 
blieb den Mainzer Demagogenverfolgern noch eine lange Frist fröhlichen 
Wirkens gesichert. — 
*) Berstett an Marschall, 26. Juli 1822. 
 
	        
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